Vorratsdatenspeicherung fördert Korruption

17. Januar 2008 um 16:16 Keine Kommentare

Ãœber den 2006 gegründeten Whistleblower-Netzwerk e.V. bin ich auf das „Business Keeper Monitoring System“ (BKMS) der BUSINESS KEEPER AG gestoßen. Whistleblower (deutsch „Hinweisgeber“) sind Personen, die Missstände wie verschleierte Gefahren, Korruption und andere nicht-aufgedeckte illegale Aktivitäten an die Öffentlichkeit bringen.

…also in etwa das Gegenteil der drei Affen (nichts sehen, nichts hören, nichts sagen) – die im Japanischen Original übrigens ganz anders interpretiert werden. Allerdings sollte Whistleblowing nicht mit dem Herumkrakelen und Gezeter über Mißständen verwechselt werden, die eigentlich längst bekannt sind und/oder sich leicht auf anderem Wege abstellen ließen.

Für tatsächliche Fälle von Korruption, Machtmißbrauch, Veruntreuung etc. sind Hinweisgeber nicht nur für die Öffentlichkeit, sondern auch für Unternehmen eigentlich von großem Nutzen – wenn jeder dichthält und Probleme unter den Teppich gekehrt werden, wachsen diese meist immer weiter, bis es zum großen Knall kommt (Skandal, Pleite etc.). Leider haben es Hinweisgeber mangels Schutz in Deutschland eher schwer und selbst in Ländern mit spezielle Whistleblower-Schutzgesetzen wird der Hinweisgeber als Ãœberbringer einer schlechten Nachricht oft selbst dafür verantwortlich gemacht und als Nestbeschmutzer diffamiert. Hilfreich sind deshalb Möglichkeiten, Beschwerden anonym abgeben zu können, was für an US-Börsen notierte Unternehmen sogar vorgeschrieben ist.

Das „Business Keeper Monitoring System“ ist ein mit EU-Mitteln gefördertes, kommerzielles Produkt, mit dem Unternehmen eine anonyme Beschwerdestelle einrichten können. Unter bkms-system.net finden sich beispielsweise Anlaufstellen des Landeskriminalamt Niedersachsen, der Deutschen Telekom AG und der Kaufmännischen Krankenkasse KKH. Ãœber ein Ticket-System, das ähnlich wie ein Toter Briefkasten funktioniert, ist auch die bidirektionale anonyme Kommunikation zwischen Hinweisgeber und Anlaufstelle möglich. Die Gute Idee wird jedoch durch mangelnde Implementation und nicht zuletzt die Vorratsdatenspeicherung torpediert.

Zum einen erfordert BKMS unverständlicherweise zur Benutzung JavaScript, was völlig unnötig ein potentielles Sicherheitsloch in das Verfahren reißt. Zum anderen ist es mit der Anonymität nicht weit her, wenn Verbindungsdaten ohne Tatverdacht erstmal ein halbes Jahr gespeichert werden. Investigative Journalisten wissen schon davon zu berichten, dass ihnen Informaten abspringen, weil sie nicht mehr sicher kommunizieren können. Wie soll sich ein Hinweisgeber sicher sein, dass seine Kontaktaufnahme mit der Anlaufstelle ihm nicht negativ angelastet wird? Ein zweifelhaftes Webformular bringt wenig, wenn nicht erklärt wird, wie man anonym (z. B. mit Tor) und verschlüsselt auf die Seite zugreifen kann. Ich empfehle der BUSINESS KEEPER AG erstmal JavaScript wegzuschmeissen und dann einen Tor-Exit Node für ihre Seite aufzusetzen, dann könnte es es mit der Anonymität klappen.

Dass sich auf der Seite des amerikanischen National Whistleblower Center ebenfalls nichts zu Verschlüsselung findet, macht die Sache auch nicht besser. Dass dagegen die Telekom eine Hinweisstelle für Whistleblower eingerichtet hat, während sie gleichzeitg Verbindungsdaten speichern muss, hat schon was ironisches.

Gekommen bin ich auf das Thema Whistleblowing übrigens über Mordechai Vanunu. Der Träger des Alternativen Nobelpreises hatte 1986 das Atomwaffenprogramm Israels publik gemacht. Daraufhin wurde er vom Mossad in Italien entführt und saß 11 Jahre in Isolationshaft. Seit 2004 ist er sozusagen in offenem Vollzug, d.h. er darf Israel nicht verlassen und sich nicht mit Ausländern unterhalten, weshalb er zwischenzeitlich wieder inhaftiert wurde. Dazu gibt es auf YouTube einen guten BBC-Film.

Weitere Informationen zum Thema gibt es unter Anderem im Weblog des Whistleblower-Netzwerk e.V. – dort lässt sich dann beispielsweise nachlesen wie im Lande des so genannten „Hessenhitler“ die Steuerfahndung intern an Aufklärung behindert wird.

Nachtrag zu Wahlcomputern in Niedersachsen

6. Januar 2008 um 19:14 Keine Kommentare

Während in Hessen zur Landtagswahl am 27.1. in acht Städten und Gemeinden als „Wahlgeräte“ kaschierte Computer die Wahl intransparenter und fälschungsanfälliger machen, wird nach einem Artikel der Welt vom 14.11.2007 bei der Landtagswahl in Niedersachsen darauf verzichtet. Allerdings ist der Einsatz in dem zuletzt am 25.11.2007 geänderten Niedersächsischen Landeswahlgesetz (PDF) ausdrücklich vorgesehen. In §26 Absatz 4 bis 7 heisst es zu Wahlgeräten:

(4) Zur Erleichterung der Abgabe und Zählung der Stimmen können anstelle von Stimmzetteln und
Wahlurnen (§ 28) nach Maßgabe der Absätze 5 und 7 Wahlgeräte benutzt werden, wenn gewährleistet ist, dass sie das Wahlergebnis nicht verfälschen und das Wahlgeheimnis wahren.

(5) Die Bauart von Wahlgeräten muss für die Verwendung bei Wahlen zum Niedersächsischen Landtag amtlich für einzelne Wahlen oder allgemein zugelassen sein. Über die Zulassung entscheidet das Fachministerium auf Antrag des Herstellers des Wahlgerätes. Einer Zulassung nach Satz 2 bedarf es nicht, wenn das Wahlgerät bereits für Wahlen zum Deutschen Bundestag oder für Landtagswahlen in anderen Bundesländern mit vergleichbaren Wahlsystemen zugelassen worden ist und dies durch das Fachministerium festgestellt worden ist.

(6) Die Verwendung eines nach Absatz 5 amtlich zugelassenen Wahlgerätes bedarf der Genehmigung durch das Fachministerium. Die Genehmigung kann für einzelne Wahlen oder allgemein ausgesprochen werden.

(7) Das Fachministerium wird ermächtigt, durch Verordnung nähere Bestimmungen zu erlassen über
1. die Voraussetzungen für die amtliche Zulassung der Bauart von Wahlgeräten sowie für die Rücknahme und den Widerruf der Zulassung,
2. das Verfahren für die amtliche Zulassung der Bauart,
3. das Verfahren für die Prüfung eines Wahlgerätes auf die der amtlich zugelassenen Bauart entsprechende Ausführung,
4. die öffentliche Erprobung eines Wahlgerätes vor seiner Verwendung,
5. das Verfahren für die amtliche Genehmigung der Verwendung sowie für die Rücknahme und den Widerruf der Genehmigung,
6. die durch die Verwendung von Wahlgeräten bedingten Besonderheiten im Zusammenhang mit der Wahl.

Die Verordnung ergeht in den Fällen der Nummern 1 und 3 im Einvernehmen mit dem Ministerium für Wirtschaft, Technologie und Verkehr.

Wie haarsträubend der Einsatz von Wahlcomputern in der Praxis abläuft, demonstrieren unter anderem die Vorträge auf dem 24C3 zum Nedap-Wahlcomputer und zum Hamburger Wahlstift (download jeweils ganz legal per BitTorrent oder beim Chaosradio).

Zur Landtagswahl in Niedersachsen habe ich noch eine Karte der Wahlkreise und eine Liste der Wahlkreise mit der Anzahl der Wahlberechtigten und den umgerechneten Ergebnissen für die Landtagswahl 2003 und die Bundestagswahl 2005 gefunden. Vielleicht lässt sich das mit der Software von Thomas Rehn und Markus Schneider analysieren, die auf dem 24C3 einen Vortrag zu Wahlparadoxien gehalten haben (und ein Paper zur Ausarbeitung!). Bleibt noch zum Thema Wahlplakate auf das Bild in diesem Posting hinzuweisen, dem eigentlich nichts mehr hinzuzufügen ist. 🙂

Landtagswahl in Niedersachsen kurz erklärt

31. Dezember 2007 um 15:36 2 Kommentare

Weiße Werbewände, ein bunt beklebtes Wahlkampfauto und die Wahlbenachrichtigung haben mich heute darauf aufmerksam gemacht, dass am 27. Januar 2008 Landtagswahlen in Niedersachsen stattfinden. Die besten Informationen dazu gibt es nicht etwa von offizieller Seite, sondern auf www.wahlrecht.de zusammengetragen von Wilko Zicht, Martin Fehndrich und Matthias Cantow, die die sehr empfehlenswerte Seite privat betreiben. Vielen Dank den dreien! Auf der ebenfalls sehr empfehlenswerten Seite abgeordnetenwatch.de gibt es leider bislang nichts zum Niedersächsischen Landtag. Entscheiden über die mindestens 135 Sitze können etwa sechs Millionen Deutsche ab 18 Jahren, die ihren (Haupt-)Wohnsitz seit mindestens drei Monaten in Niedersachsen haben. Zur Wahl stehen jeweils ein Direktkandidat pro Wahlkreis und mit der Zweitstimme eine von 14 Parteien. Zusätzlich sind die Alternativen ungültig-zu-wählen und nicht-zu-wählen (Enthaltung) möglich, wofür sich bei der letzten Wahl (2003) jeweils 1% bzw. 33% der Wahlberechtigten bewusst oder unbewusst entschieden haben. Außerdem kann zwischen der Stimmabgabe vor Ort und Briefwahl entschieden werden. Abgesehen von einem theoretischen Volksentscheid war es das dann aber auch für die nächsten fünf Jahre.

Für einen Volksentscheid wären mindestens 600.000 Unterschriften (10% der Wahlberechtigten) für das Volksbegehren und anschließend mindestens 2 Millionen Dafür-Stimmen (25% der Wahlberechtigten) notwendig, weshalb bisher in Niedersachsen auch noch kein Volksentscheid stattgefunden hat. Daneben gibt es noch die Volksinitiative (mindestens 70.000 Unterschriften) als eine Art von „Hallo, Liebe Abgeordneten, könntet euch mal bitte kurz mit Thema X beschäftigen? Kein Interesse? Na dann halt nicht.“. Wenn die Initiative genügend Placebo-Wirkung hat und nichts kostet, könnte sie sogar umgesetzt werden, so wie 1994 als Gott in die Niedersächsische Verfassung aufgenommen wurde. Es ist also in der Praxis wahrscheinlich effektiver anderweitig Lobbyarbeit zu betreiben, Abgeordnete zu bestechen oder die Wahlen zu manipulieren.

Das Wahlverfahren zur Landtagswahl hatte eine CDU-Alleinregierung zur Wahl 1986 auf D’Hondt umgestellt, wodurch kleinere Parteien benachteiligt werden. Dafür hat die CDU 2003 die absolute Mehrheit im Landtag verfehlt, weil sie zu viele (sic!) Wahlkreise gewonnen hatte. Zu solchen Wahlparadoxien empfehle ich den Vortrag Wahlchaos – Paradoxien des deutschen Wahlsystems, den Markus Schneider auf dem 24C3 gehalten hat (Aufnahmen sollten hier zu finden sein).

Noch nicht herausgefunden habe ich, wie hoch die Anzahl der Wahlberechtigten in den einzelnen Wahlkreisen ist (in größeren Wahlkreisen zählt die Stimme des einzelnen Wählers weniger als in kleinen Wahlkreisen) und ob noch Wahlhelfer benötigt werden, sowie ob und wo mit Wahlcomputern gewählt wird. Dass und wie Wahlergebnisse mit Wahlcomputern einfach manipuliert werden können, wurde ausführlich unter anderem ebenfalls auf dem 24C3 demonstriert und soll hier nicht weiter ausgeführt werden.

Der Wikipedia-Artikel zur Landtagswahl Niedersachsen ist übrigens Müll.

Beate Klarsfeld und Deutsche Bahn als Anti-Antifa

23. Dezember 2007 um 22:15 2 Kommentare

Auf Beate Klarsfeld bin ich zufällig beim Verfassen meines letzten Artikels gestoßen – bekannt wurde sie Ende 1968 durch ihre Ohrfeige gegen Kurt Kiesingers (Bundeskanzler der ersten großen Koalition), um auf dessen unbewältigte Nazivergangenheit hinzuweisen. Beate Klarsfeld ist bis heute weiter antifaschistisch aktiv und hat dazu beigetragen, dass wenigstens einige Nazi-Verbrecher angeklagt wurden (Kiesinger würde ich eher als Mitläufer einstufen) – dafür ist sie in Frankreich ungleich bekannter als in Deutschland. Wer etwas genauer selber recherchiert, wird feststellen, dass es Antifaschismus trotz florierender Gedenkindustrie in Deutschland schwer hat, sobald vor der eigenen Haustür nachgeschaut werden soll. Ein typisches Beispiel ist die Schönigung der Statistik über Straftaten mit rechtsradikalem Hintergrund in Sachsen-Anhalt. Ein anderes ist der Umgang der Deutschen Bahn mit der Initiative 11.000 Kinder, ein anderes Projekt für das sich Beate Klarsfeld eingesetzt hat. Selbst dem sehr abgespeckten Zug der Erinnerung werden von Bahn (und ihrem Inhaber, dem Bund) noch immer Steine in den Weg gelegt. Ich kann die Interviews mit Beate Klarsfeld empfehlen, macht euch einfach selber ein Bild.

Markus Beckedahl im Videointerview

11. Dezember 2007 um 01:55 Keine Kommentare

Ich oute mich hier mal als Fan von Markus Beckedahl, der u.A. mit seinem Blog Netzpolitik.org einen unschätzbaren Beitrag für die deutsche Netzöffentlichkeit liefert. Ein schönes Video-Interview haben mit ihm die Blogpiloten geführt. [via Text&Blog]

Keine Angst vorm Atom – wir haben ja Lobbyisten!

8. Dezember 2007 um 01:33 1 Kommentar

Das Deutsche Atomforum hat knapp gewonnen beim Worst EU Lobbying Award in der Kategorie „Worst EU Greenwash Award“. Die Lobbyorganisation versucht im Rahmen der Klimaschutz-Debatte Atomkraft als besonders umweltfreundlich zu verkaufen. Das geht doch viel besser, wie die NDR-Sendung „Extra 3“ (mit blog und podcast) im August treffend vormachte:

Wer nicht nur ein ordentlich oder unordentlich angemeldetes oder nicht angemeldetes „neuartiges Empfangsgerät“ hat (ob bei den Extra-3-Machern viel von meine Gebühren ankommt, bezweifle ich, da das Geld anscheinend für weitere regelmäßige Nachfragen draufgeht), sondern auch einen Fernseher, kann nicht nur die anscheinend hervorragende Sendung Extra-3, sondern auch im ZDF am Sonntag (zum Frühstück von 13:20-14 Uhr) einen Beitrag über Greenwash ansehen.

Ãœbrigens werden nicht nur Politiker und Öffentlichkeit von Lobbyisten gehirngewaschen – denn „die Politik“ (natürlich quatsch – gemeint ist konkret die Bundesregierung) schlägt zurück: mittels Schleichwerbung und vorformulierten Beiträgen, die dank geheimgehaltener Werbeagenturen kommentarlos von anderen Medien übernommen werden. Brauchen Medien bald neben einem Prozessfonds zum Abwehren von Klagen auch einen Hilfsfond, um sich eigene Recherche leisten zu können? Notwendig ist ja auch noch ein Grundkurs in Anonymisierungsdiensten, denn wie u.A. dieser Video-Beitrag (ebenfalls vom NDR) recht gut deutlich macht, sieht es für investigativen Journalismus mit der Vorratsdatenspeicherung düster aus.

Die Tagesschow

11. Juli 2007 um 17:26 1 Kommentar

In Deutschlandradio kam gestern ein Feature über die Tagesschau. Leider ist die Sendung nicht als Podcast verfügbar, dafür gibt es das Manuskript (das allerdings die Wirkung der O-Töne nicht ersetzen kann). Nachdem der Autor Walter van Rossum schon 2004 mit Sabine Christiansen abrechnete, hat er sich nun die medienheilige Institution Tagesschau vorgenommen. Er kommt zum Ergebnis, dass die Nachrichtensendung einseitig berichtet und zur Volksverblödung beiträgt. Im Oktober erscheint dazu ein Buch bei Kiepenheuer und Witsch. Vielleicht ist eine der Ursachen für die Unzulänglichkeit der Tagesschau einfach, dass sie keine Hyperlinks und Quellennachweise enthält?

Mehr Unsicherheit mit dem neuen Reisepass

9. Juli 2007 um 16:14 Keine Kommentare

Heute habe ich beim Einwohnermeldeamt meinen neuen Reisepass mit biometrischen Daten abgeholt (siehe auch die Werbeseite zum ePass). Wer ebenfalls etwas dagegen hat, dass auch noch Fingerabdrücke gespeichert werden, sollte sich bis Oktober beeilen, denn obwohl praktisch alle bisherigen Terrorakte ohne gefälschten Pass durchgeführt wurden und auch mit biometrischen Pässen nicht verhindert worden wären, wird weiter aufgerüstet.

Einen Hinweis auf den im Pass enthaltenen RFID-Chip und die damit verbundenen Sicherheitsprobleme gibt es bei der Ausgabe nicht. Eigentlich sollte jedem Reisepass gleich eine Schutzhülle gegen unbefugtes Auslesen beigelegt werden. Bereits letztes Jahr wurde gezeigt, dass sich vom ePass Kopien anfertigen lassen, die von elektronischen Lesegeräten nicht vom Original unterscheidbar sind. Einen schönen Vortrag zum Auslesen und Simulieren von RFID-Chips gab es übrigens auf dem 23C3.

Angesichts dass, vorangetrieben von dem Verfassungsfeind Wolfgang Schäuble, die nach 1945 eingeführte Trennung von Geheimdienste, Polizei und Militär immer weiter aufgeweicht wird und Techniken eingeführt werden, von denen die Stasi nur träumen konnte, muss einem schon unheimlich werden. Da hilft auch die Ich-habe-doch-nichts-zu-verbergen-Ausrede im Biedermann’schen Sinne nichts: Wenn Kopien eines Reisepasses zu oft an den falschen Orten auftauchen, drohen dem damit Verdächtigen Passinhaber bald schnell nicht nur Handy- und Internetverbot sondern, wie Schäuble vorschlägt, gar die „gezielte Tötung“. Wer einmal – warum auch immer (falscher Name, falscher Urlaubsort, zufällig neben der falschen Person gesessen etc.) – auf deiner der vielen Listen von Terrorverdächtigen gelandet ist, hat halt Pech gehabt – nach der neuen Anti-Terror-Doktrin sind wir doch schließlich alle potentielle Terroristen.

Enzensberger löst Gipfeltreffen-Problematik

28. Mai 2007 um 12:09 2 Kommentare

Einen zuvorkommenden Vorschlag zum Gifpeltreffen der G-8 und anderer Gifpel nicht nur von „G 4, G 6, G 7, G 10, G 12 oder G 20“ unterbreitet Hans Joachim Magnus Enzensberger in Spiegel Online. Dass der Gipfel in dieser Form für keinen der Teilnehmer und Demonstranten ideal ist, dürfte offensichtlich sein. Enzensberger fragt sich, ob es „angenehm [sei], mehrere Tage in einem Gefangenenlager, mag es auch noch so luxuriös ausgestattet sein, zu verbringen“ und weist darauf hin, dass die Gifpelteilnehmer „sicher ohne dass Sie es bemerken, wie eine Besatzungsmacht auf[treten]“.

Während Sie endlose Sitzungen, Ansprachen und Galadiners über sich ergehen lassen müssen, wird vor der Tür ein Ausnahmezustand verhängt, der sich nur schwer mit den Garantien unserer Verfassung vereinbaren lässt. Zehntausende von Bewaffneten stehen vor Ihnen stramm. Es werden Straßensperren errichtet und Ausgangsverbote erlassen. Der öffentliche Raum ist enteignet. Weiträumige Demonstrationsverbote, lückenlose Überwachung, vorbeugende Verhaftungen sind, schon lange bevor Ihre Hubschrauber eintreffen, nicht die Ausnahme, sondern die Norm. Nicht nur legen derartige Veranstaltungen ganze Millionenstädte lahm; auch friedliche Dörfer werden routinemäßig in den Belagerungszustand versetzt. Erinnerungen an Krieg und Diktatur werden wach, was bei Zartfühlenden zu allerlei Missverständnissen führen kann.

Die Lösung, mit der eigentlich alle gut leben könnten: Drei sorgfältig ausgewählte, abgelegene Inseln, die „Exklusivität und ein unbeschwertes Beisammensein ermöglichen […] und gewiss ließe sich auch ein exterritorialer Status leicht vereinbaren, so dass Sie auf etwaige Verfassungsprobleme keine Rücksicht zu nehmen brauchten.“ Die Sicherheit ließe sich mit „Ãœberwachungssatellit, eine[r] Batterie erprobter Abwehrraketen, eine[r] Staffel von Kampfflugzeugen und ein paar Kriegsschiffe[n]“ sicherstellen und günstiger als die Millionenschweren Einschränkungen von Grundrechten dürfte es auch werden.

Aber wahrscheinlich ist dieser Vorschlag zu einfach, als dass er sich politisch durchsetzen ließe. Bleibt wenigstens die praktisch verwertbare Schlußfolgerung, dass Enzensberger wunderbare Essays schreibt. [mehr bei Spiegel Online]

In der Gipfelbibliothek, auf die netbib hinweist findet sich übrigens bislang kein Werk von Enzensberger.

Kommt das Internet ins Grundgesetz um letzteres besser umgehen zu können?

24. Mai 2007 um 01:03 1 Kommentar

Pünktlich zum 48. Jahrestag des Grundgesetzes, so berichtet der Tagesspiegel, planen Politiker der großen Koalition, ein „Grundrecht für die Freiheit im Internet“. Was erstmal ganz gut klingt, soll allerdings auch dazu dienen, das neu geschaffene Grundrecht besser einschränken zu können, unter Anderem zum Zwecke der „Online-Durchsuchungen„). Zudem ist noch nicht klar, was für eine Freiheit gemeint ist: „Wir brauchen die Erweiterung des Grundrechtsschutzes in der virtuellen Welt. […] Wir brauchen es, wissen aber noch nicht wie“, wird Ralf Göbel (CDU) zitiert. Tja, mit der Freiheit ist das so eine Sache, Georg Kreisler hat es wunderbar ausgedrückt: „Meine Freiheit muss noch lang nicht deine Freiheit sein. Meine Freiheit: Ja! Deine Freiheit: Nein! Meine Freiheit wird von der Verfassung garantiert, deine hat bis jetzt nicht interessiert.“ (wer das Lied noch sicht kennt: anhören!) Das neue Grundrecht (bzw. seine Einschränkung) soll möglicherweise in Artikel 13 untergebracht werden. Der Artikel über die Unverletzlichkeit der Wohnung wurde bereits 1998 mit dem so genannten „Großen Lauschangriff“ ad absurdum geführt. [via infobib, das sich mit Artikel 5 der Informationsfreiheit und Zensur widmet, und via Chaoslinie].