Deutschsprachige BID/LIS-Wikis – eine Bestandsaufnahme
18. Juli 2009 um 13:48 1 KommentarAngeregt durch eine Diskussion über Fachcommunities auf dem BibCamp 2009 habe ich recherchiert, welche deutschsprachigen Wikis es für den Informations- und Dokumentationsbereich in Deutschland, Österreich und der Schweiz gibt.
Ein Wiki ist zwar nicht das Gleiche wie eine Community, aber es kann sowohl ein hilfreiches Werkzeug für eine Community sein als auch der Keim, um den sich eine Community bildet. Weitere Werkzeuge und Sammelpunkte von (Online-)Communities sind unter Anderem Foren, Mailinglisten und allgemeine Soziale Netzwerke á la StudiVZ, Facebook und MySpace. Die dafür eingesetzte Software wird allgemein auch als Soziale Software bezeichnet. Ein allgemeiner Irrtum in Bezug auf Online-Communities ist, dass sie sich allein mit der richtige Software schaffen ließen – dabei entstehen Communities meiner Erfahrung eher dadurch, dass sich Personen mit einem gemeinsamen Interesse finden, miteinander kommunizieren und zusammentun. Bei Wikipedia ist das gemeinsame Interesse zum Beispiel die Idee, eine Enzyklopädie zu erstellen, während bei Last.fm ganz klar die Musik im Zentrum steht. Nicht für alle Interessen und Communities sind Wikis das beste Mittel – Wikis lassen sich allerdings sehr flexibel einsetzen. Eine gute Einführung in Wikis bieten die Lektion 11 und Lektion 12 des Online-Kurs „13 Dinge„. Ausführlichere Erfahrungsberichte gibt es unter Anderem in der aktuellen Ausgabe (4/2009) der Information – Wissenschaft & Praxis (IwP) mit dem Schwerpunkt Soziale Software und Wikis. Die IfW ist leider weder Open Access noch vernüftig z.B. in DBLP erschlossen, so dass ich hier auf nichts verlinken kann: #fail
Aber zurück zu den deutschsprachigen Wikis aus dem und für den Bereich Bibliothek, Information, Dokumentation (BID) bzw. Library and Information Science (LIS): Das internationale LIS-Wiki enthält eine Linksammlung anderer Wikis in Deutsch. Eine ähnliche Ãœbersicht enthält das MuseumsWiki unter Wikis für Bibliotheken. Geschlossene Wikis, die nicht zur Mitarbeit einladen – wie zum Beispiel das Wiki der Universitätsbibliothek Rostock, habe ich hier ausgenommen, zumal viele davon als Unternehmenswikis nicht öffentlich zugänglich sind. Mit dem ErwerbungsWiki und dem GBV-Wiki gibt es zwei Grenzfälle: das Erwerbungswiki der Expertengruppe Erwerbung und Bestandsentwicklung im Deutschen Bibliotheksverband erlaubt zwar die freie Anmeldung, aber die Hauptseiten können nur von einer Redaktion bearbeitet werden. Im Wiki des Gemeinsamen Bibliotheksverbund (GBV) werden Benutzeraccounts nur auf Anfrage erteilt (z.B. bei mir unter jakob.voss öt gbv.de); grundsätzlich kann sich aber jedoch, der einmal dabei ist, an allen Inhalten beteiligen. Ebenfalls einen eher eingeschränkten Nutzerkreis hat das Wiki des Arbeitskreis fuer Information Stuttgart (AKI-Wiki). Es bleiben fünf allgemeine, offen zugängliche, deutschsprachige BID/LIS-Wikis:
Das Netbib-Wiki sammelt Informationen rund um die Themen des netbib Weblogs.
Das Buecherei-Wiki sammelt Informationen für die Arbeit in öffentlichen Bibliotheken.
Das B.I.T. Wiki ist ein Projekt der Fachzeitschrift B.I.T. online und von Informationsmanagement-Studierenden an der Hochschule der Medien in Stuttgart (HdM).
Das InfoWissWiki wird von der (inzwischen auslaufenden) Fachrichtung Informationswissenschaft an der Uni Saarbrücken betrieben.
Schließlich beinhaltet auch die deutschsprachige Wikipedia eine Vielzahl von Artikeln aus dem Bereich Bibliothek, Information, Dokumentation.
Das Netbib-Wiki und das Buecherei-Wiki werden mit der Software CoMaWiki und die anderen drei Wikis mit MediaWiki betrieben. Obgleich beide Wiki-Engines Usability-Probleme haben, halte ich MediaWiki für die beste Wahl für allgemeine, offene Wikis: die Software wird auch in Wikipedia eingesetzt und der technische Umgang mit Wikipedia sollte zumindest rudimentär zur Grundkenntnis eines jeden Informationsspezialisten gehören (wer noch nie etwas in Wikipedia geändert hat, suche sich bei Gelegenheit einen Artikel mit Fehler oder Lücke und nehme eine kleine Korrektur vor oder hinterlasse eine Nachricht auf der Diskussionsseite des Artikels. Vom Neuanlegen von Artikeln ohne vorherige Einarbeitung muss ich aufgrund des rauhen Umgangstons dagegen leider eher abraten).
Zum Betrieb eines Wikis gehört die regelmäßige Aktualisierung der MediaWiki-Installation, damit die in Wikipedia möglichen Bearbeitungsfunktionen zur Verfügung stehen. Ebenso ist eine inhaltliche Administration notwendig, um neuen Benutzern unter die Arme zu greifen, Spam zu entfernen und im Wiki aufzuräumen – denn die Tendenz zur Vermüllung ist allen Wikis inhärent. Es sollte deshalb überlegt werden, bei welchen LIS/BID-Wikis eine dauerhafte Administration gewährleistet werden kann. Denkbar wäre zum Beispiel der Betrieb durch einen Bibliotheksverband; da sich deutsche Bibliotheksverbände in der Vergangenheit jedoch weder durch technische Kompetenz und Innovationsfreudigkeit noch durch politisches Verantwortungsbewußtsein sondern eher durch Schnarchnasigkeit hervorgetan haben, vertraue ich lieber einer NGO wie der Wikimedia Foundation.
Neben der Administration ist ein weiterer Punkt, der bei offenen Wikis häufig vernachachlässigt wird, die inhaltliche Ausrichtung: Oft wird davon gesprochen, wie bei Wikipedia „eine Enzyklopädie“ oder „ein Nachschlagewerk“ zu erstellen, was ebenso oft Quatsch ist. Die Wiki-basierte Erstellung von enzyklopädischen Artikeln macht außerhalb der Wikipedia nur dann Sinn, wenn es sich um Themen handelt, die für Wikipedia zu speziell sind oder den Charakter einer Enzyklopädie sprengen (siehe Was Wikipedia nicht ist). Beispiele für Fachwikis sind unter Anderem das Genderwiki und diverse Stadt- und Regionalwikis. Im BIT-Wiki gibt es unter Anderem ein Herstellerverzeichnis, im NetbibWiki diverse Linksammlungen und im GBV-Wiki technische Beschreibungen. Leider werde in Wikis jedoch oft auch allgemeine Definitions-Artikel angelegt, die besser in Wikipedia aufgehoben werden (z.B. vor einigen Tagen Eugene Garfield im InfoWissWiki). Ich vermute als einen Grund, dass die Autoren sich nicht den Wikipedia-Gepflogenheiten unterwerfen wollen; das ist einerseits verständlich, da die Einarbeitung in Wikipedia-Qualitätsrichtlinien Zeit erfordert und der Umgang mit der Wikipedia-Community nicht unproblematisch ist. Andererseits bietet die Arbeit im selbstverwalteten Refugium eine bequeme Ausrede, sich keinen Qualitätsstandards zu unterwerfen und andere Themenbereiche, Sichtweisen und Quellen nicht zur Kenntnis nehmen zu müssen. Wie beim Schreiben für eine Fachzeitschrift muss sich, wer in Wikipedia mitarbeiten möchte, mit speziellen Richtlinien und Empfehlungen vertraut machen und mit den anderen Beteiligten koordinieren – was im Endeffekt aber zu besseren Artikeln führt.
Die deutschsprachige BID/LIS-Wiki führen in ihrer Verstreutheit dagegen eher ein Schattendasein: Anstatt sich wenigstens auf ein allgemeines, offenes Fachwiki zu einigen werkelt jeder vor sich hin. Zwischen all den Artikelleichen, die irgendwann angelegt und dann nie wieder angefasst wurden, gibt es einige sehr hilfreiche Informationssammlungen, aber wenig Struktur – dafür dass sich Informations- und Bibliotheksspezialisten mit der Erschließung von Informationen auskennen sollten, ist das eigentlich ziemlich peinlich.
Vielleicht bin ich mal wieder etwas zu naiv was die sozialen Abgrenzungs- und Widerstandsprozesse betrifft, aber es sollte doch möglich sein, zumindests die allgemeinen, offenene, deutschsprachigen BID/LIS-Wiki (mindestens Netbib-Wiki, InfoWissWiki und BIT-Wiki) zusammenzuführen, um gemeinsam die kritische Masse für eine dauerhafte Community zu erreichen. Einzelne Projekte und Bereiche wie das sehr zu empfehlende Zukunftswerkstatt-Wiki, das Buecherei-Wiki und ein bislang nur angedachtes FaMI-Wiki können dabei ebenfalls integriert werden, während allgemeine Definitionsartikel sich besser auf ein Minimum beschränken und dann auf Wikipedia weiterverweisen.
Semantic Wiki Workshop
5. Februar 2008 um 20:30 Keine KommentareThe 5th European Semantic Web Conference (ESWC) at the beautiful island of Tenerife (June 1st to 5th 2008) will host the 3rd Semantic Wiki Workshop (SemWiki2008). Forget about specialized ontology editors – Wikis are the smarter way to edit information for the Semantic Web! Deadline for submission of research papers, position papers, and system demonstrations is February 22th. Unfortunately I have another meeting the same days, but you should consider to participate!
Neues von LibraryThing
1. Oktober 2007 um 23:52 Keine KommentareWenn ich angemessen über all die interessanten Neuerungen bei LibraryThing berichten würde, käme ich zu gar nichts mehr, so schnell entwickelt sich die Community für Literaturfreunde. Zur Einführung habe ich vor einigen Wochen einen kurzen Artikel für das Mitteilungsblatt der Bibliotheken in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt (mb) geschrieben (Heft 137/August 2007, leider noch nicht online).
Zu den wesentlichen Neuerungen bei LibraryThing gehören weitere Mitarbeiter (unter anderem Teilzeitmitarbeiter Giovanni, der mit seiner anderen Hälfte bei justbooks in Düsseldorf arbeitet und auch ab und zu blogt), die Verwendung von Solr (basierend auf Apache Lucene) als Suchmaschine , ein Google Book Search Search-Bookmarklet, um Google gemeinsam Identifier zu entlocken, und nun auch ein eigenes Wiki für LibraryThing.
Im WikiThing kann unter anderem eingesehen werden was die Mitarbeiter so jeden Tag treiben. Für mich interessant sind die Hinweise zur Einbindung von LibraryThing for Libraries in andere Bibliothekssysteme. Aha, Horizon Information Portal 3.x nutzt also auch XSLT zur Darstellung – ich warte ja noch, dass das für PICA freigegeben wird. Ich habe mal angefangen, die Einbindung von Katalogen in LibraryThing etwas weiter zu beschreiben.
Wiki-basiertes Video-Dokumentationssystem MediaVid
4. August 2007 um 23:09 Keine KommentareProfessionelle Video-Dokumentationssysteme sind noch immer ziemlich teuer, erfordern Expertenwissen und spezielle Hardware und sind relativ unflexibel. Auf der Wikimania2007 wurde von Michael Dale mit MediaVid ein vielversprechendes Video-Dokumentationssystem vorgestellt, das webbasiert als Wiki funktioniert.
Die Erstellung und Verbreitung von Videos ist dank günstigen Equipments inzwischen nicht mehr Herrschaftswissen sondern steht prinzipiell jedem offen. Zur Popularität haben nicht zuletzt Web 2.0-Dienste wie YouTube & Co. beigetragen. Im Gegensatz zu diesen unterstützt die kommende Version von Metavid allerdings die Segmentierung von Videos und die Annotierung mit Metadaten – und das alles vollständig auf Basis von Open Source (MediaVid basierend auf MediaWiki mit der Semantic MediaWiki Extension).
Statt also für im Web darstellbare Videos nur einige freien Schlagwörter (Tags) zu vergeben, können Videos in einzelne Szenen zerlegt werden, zu denen beliebige Daten wie dargestellte Personen, Orte, Themen, Texte etc. in frei definierbaren Feldern verwaltet und durchsucht werden können.
Als Beispielanwendungen hat das Team von MediaVid Mitschnitte des amerikanischen Senats annotiert, wie sie C-SPAN gegen teures Geld anbietet. Auf diese Weise können beispielweise alle Erwähnungen von „drugs and medicines“ in Reden von Senatoren, die Spenden von Pharmaunternehmen erhalten haben, per RSS abonniert werden.
Die auf der Wikimania vorgestellte Version von MediaVid soll in etwa 1-2 Monaten veröffentlicht werden. Das sollten sich Videoaktivisten-Gruppen aber auch professionelle Mediendokumentare, wie zum Beispiel die Dokumentationsabteilung des Bundestages mal ansehen. Einen ersten Eindruck geben die Vortragsfolien und dieser Screencast (der allerdings noch nicht alle Wiki-Funktionen enthält). Weitere Informationen gibt es im MediaVid Wiki.
Kurze Wiki-Einführung als Video
5. Juni 2007 um 02:11 Keine KommentareIm kurzen Video Wikis in Plain English wird erklärt, was ein Wiki ist und wozu es gut ist. Den Film gibt es auch mit deutschen Untertiteln. Leider wird die Funktion der Versionsgeschichte nicht erwähnt, ansonsten super. Für RSS gibt es auch einen Film. [via Stefan Kühn über wikide-l]
Begriffssysteme, Ontologien und ihr gemeinschaftlicher Aufbau mit Wikis
27. Mai 2007 um 13:06 2 KommentareVor inzwischen gut 4 Jahren habe ich mich im Rahmen einer Studienarbeit im Diplomstudiengang Informatik mit verschiedenen Arten von Begriffssystemen beschäftigt. Ausgangspunkt war der mangelnde Austausch zwischen Informationswissenschaft und Informatik im Bereich der Wissensorganisation: Während die Informatiker plötzlich alles „Ontologie“ nannten und mit der unreflektierten Neuerfindung des Rades Forschungsgelder einkassierten, hinkten die Informationswissenschaftler der technischen Entwicklung um Jahre hinte (syptomatisch unter Anderem daran erkennbar, dass viele Thesauri bislang nur auf Papier erhältlich sind).
Die Situation bessert sich inzischen, wenn auch nur langsam. So ist beispielsweise beim Thema Tagging (früher: Indizierung/Indexierung) momentan Ähnliches zu beobachten, weshalb ich mit den Versuch einer umfassenderen Typologie von Indexierungssystemen gewagt habe. Im Tagungsband der letzten DGI-Online-Tagung ist nun ein feiner Artikel von Katrin Weller aus dem Ontoverse-Projekt zum „Kooperativen Ontologieaufbau“ erschienen, der sich in Bezug auf die Begriffsverwirrung in der Ontologieforschung und der Notwendigkeit einer Zusammenarbeit zwischen den Disziplinen meiner damaligen Beurteilung anschließt.
Der Artikel ist ebenso wegen Wellers Ausführungen zum gemeinschaftlichen Ontologieaufbau und der dafür angedachten Verwendung von Wikis zu empfehlen. Im Forschungsprojekt Ontoverse soll eine Wiki-Plattform zur gemeinschaftlichen Erstellung und Pflege von Ontologien entwickelt werden, die „inter-ontologische“ (Aufarbeitung von Wissen innerhalb eines abgegrenzten Themenbereiches) und „intra-ontologische“ (Interoperabilität zwischen verschiedenen Ontologien) Aspekte in Beziehung setzt und „die Konsensbildung und den Diskurs im Rahmen des Ontologieaufbaus unterstützt“. Zwar fehlen im Artikel etwas konkretere Beispiele und einige bereits existierende Ansätze wie beispielsweise Semantic MediaWiki oder bisherige Versuche, einfache Thesauri und Klassifikationen mit Wikis zu verwalten, bleiben unerwähnt, aber es handelt sich ja auch nur um eine erste Einführung.
Ich bin gespannt auf die Ergebnisse des Ontoverse-Projekts und hoffe, dass es nicht bei rein akademischen Prototypen bleibt, wie in der Informatik leider allzu oft üblich – bis jetzt ist ja auf der Homepage des Projekts wenig konkretes zu erfahren und der Aufruf zu einem Workshop 2006 ist ja auch nicht mehr ganz aktuell.
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