Neues zum Thema Whistleblowing

24. Februar 2008 um 19:14 Keine Kommentare

Am übernächsten Dienstag (4.3.2008) läuft auf Arte ein Themenabend zu Whistleblowing [via Whistleblower-Netzwerk-Blog]. Die Whistleblower-Plattform Wikileaks wurde vor einigen Tagen wegen einer Klage der Schweizer Privatbank Julius Bär gesperrt. Anscheinend hat ein Mitarbeiter interne Dokumente durchsichern lassen, die zeigen, dass die traditionsreichen Schweizer Bank Kunden bei der Steuerhinterziehung hilft. Hat etwa jemand anderes vermutet? Wahrscheinlich gab es diesmal auch kein Geld für den Informaten, in der Schweiz kennt sich die CDU ja selbst genügend mit Schwarzgeld aus. Mit dem kleinen, putzigen Liechtenstein ist auch ein Sündenbock gefunden, während sich „Führende Vertreter der Wirtschaft“ öffentlich distanzieren, als handle es sich bei Asozialität nicht um eine inhärenter Systemeingenschaft des Kapitalismus (Nochmal zur Aufklärung: Kapitalismus ist nicht zwingende Vorraussetzung für Soziale Marktwirtschaft und „eine andere Welt ist möglich“, auch jenseits des Staatssozialismus und Kommunismus).

Anstatt die Aufdeckung von Missständen durch Whisteblower zu unterstützen, werden in Zukunft wahrscheinlich Angestellte besser überwacht, damit es mit dem Greenwashing wieder klappt [via Telepolis]. Bleibt zu hoffen, dass Menschen trotzdem den Mund aufmachen, wenn es angebracht ist – zum Beispiel Mark Klein, der – wie vor drei Tagen bekanntgegeben wurde von der Electronic Frontier Foundation für die Aufdeckung illegaler Ãœberwachung durch AT&T und NSA ausgezeichnet wurde. Apropos USA: Manche Dokumente kommen anscheinend auch durch eigene Unachtsamkeit an die Öffentlichkeit – zum Beispiel Informationen über US-Internierungslager, in denen „im Ernstfall“ Hunderttausende massenweise eingesperrt werden sollen. [via fefes blog]

Eigentlich müsste es doch auch aus dem Umfeld islamistischer Terroristen Whistleblower geben, denen der Mord an Unschuldigen zu weit geht. Wenn aber gleichzeitig die Unschuldigen Nachbarn/Familie etc. umgebracht werden von Blackwater & Co, die dann auch noch ungestraft davonkommen, fällt es schon schwerer die Mörder aus den eigenen Reihen zu verpfeifen.

Vorratsdatenspeicherung fördert Korruption

17. Januar 2008 um 16:16 Keine Kommentare

Ãœber den 2006 gegründeten Whistleblower-Netzwerk e.V. bin ich auf das „Business Keeper Monitoring System“ (BKMS) der BUSINESS KEEPER AG gestoßen. Whistleblower (deutsch „Hinweisgeber“) sind Personen, die Missstände wie verschleierte Gefahren, Korruption und andere nicht-aufgedeckte illegale Aktivitäten an die Öffentlichkeit bringen.

…also in etwa das Gegenteil der drei Affen (nichts sehen, nichts hören, nichts sagen) – die im Japanischen Original übrigens ganz anders interpretiert werden. Allerdings sollte Whistleblowing nicht mit dem Herumkrakelen und Gezeter über Mißständen verwechselt werden, die eigentlich längst bekannt sind und/oder sich leicht auf anderem Wege abstellen ließen.

Für tatsächliche Fälle von Korruption, Machtmißbrauch, Veruntreuung etc. sind Hinweisgeber nicht nur für die Öffentlichkeit, sondern auch für Unternehmen eigentlich von großem Nutzen – wenn jeder dichthält und Probleme unter den Teppich gekehrt werden, wachsen diese meist immer weiter, bis es zum großen Knall kommt (Skandal, Pleite etc.). Leider haben es Hinweisgeber mangels Schutz in Deutschland eher schwer und selbst in Ländern mit spezielle Whistleblower-Schutzgesetzen wird der Hinweisgeber als Ãœberbringer einer schlechten Nachricht oft selbst dafür verantwortlich gemacht und als Nestbeschmutzer diffamiert. Hilfreich sind deshalb Möglichkeiten, Beschwerden anonym abgeben zu können, was für an US-Börsen notierte Unternehmen sogar vorgeschrieben ist.

Das „Business Keeper Monitoring System“ ist ein mit EU-Mitteln gefördertes, kommerzielles Produkt, mit dem Unternehmen eine anonyme Beschwerdestelle einrichten können. Unter bkms-system.net finden sich beispielsweise Anlaufstellen des Landeskriminalamt Niedersachsen, der Deutschen Telekom AG und der Kaufmännischen Krankenkasse KKH. Ãœber ein Ticket-System, das ähnlich wie ein Toter Briefkasten funktioniert, ist auch die bidirektionale anonyme Kommunikation zwischen Hinweisgeber und Anlaufstelle möglich. Die Gute Idee wird jedoch durch mangelnde Implementation und nicht zuletzt die Vorratsdatenspeicherung torpediert.

Zum einen erfordert BKMS unverständlicherweise zur Benutzung JavaScript, was völlig unnötig ein potentielles Sicherheitsloch in das Verfahren reißt. Zum anderen ist es mit der Anonymität nicht weit her, wenn Verbindungsdaten ohne Tatverdacht erstmal ein halbes Jahr gespeichert werden. Investigative Journalisten wissen schon davon zu berichten, dass ihnen Informaten abspringen, weil sie nicht mehr sicher kommunizieren können. Wie soll sich ein Hinweisgeber sicher sein, dass seine Kontaktaufnahme mit der Anlaufstelle ihm nicht negativ angelastet wird? Ein zweifelhaftes Webformular bringt wenig, wenn nicht erklärt wird, wie man anonym (z. B. mit Tor) und verschlüsselt auf die Seite zugreifen kann. Ich empfehle der BUSINESS KEEPER AG erstmal JavaScript wegzuschmeissen und dann einen Tor-Exit Node für ihre Seite aufzusetzen, dann könnte es es mit der Anonymität klappen.

Dass sich auf der Seite des amerikanischen National Whistleblower Center ebenfalls nichts zu Verschlüsselung findet, macht die Sache auch nicht besser. Dass dagegen die Telekom eine Hinweisstelle für Whistleblower eingerichtet hat, während sie gleichzeitg Verbindungsdaten speichern muss, hat schon was ironisches.

Gekommen bin ich auf das Thema Whistleblowing übrigens über Mordechai Vanunu. Der Träger des Alternativen Nobelpreises hatte 1986 das Atomwaffenprogramm Israels publik gemacht. Daraufhin wurde er vom Mossad in Italien entführt und saß 11 Jahre in Isolationshaft. Seit 2004 ist er sozusagen in offenem Vollzug, d.h. er darf Israel nicht verlassen und sich nicht mit Ausländern unterhalten, weshalb er zwischenzeitlich wieder inhaftiert wurde. Dazu gibt es auf YouTube einen guten BBC-Film.

Weitere Informationen zum Thema gibt es unter Anderem im Weblog des Whistleblower-Netzwerk e.V. – dort lässt sich dann beispielsweise nachlesen wie im Lande des so genannten „Hessenhitler“ die Steuerfahndung intern an Aufklärung behindert wird.