Terminologiearbeit in Fachbüchern, -lexika und Wikipedia

26. November 2008 um 02:26 Keine Kommentare

Erst eben bin ich auf die bereits vor einem Jahr veröffentlichte Masterarbeit „Terminologiearbeit im Bereich Wissensorganisation“ von Stefan Hauser gestoßen (über das gerade aktualisierte E-LIS, die Arbeit wurde auch im Februar auf der ISKO 2008 vorgestellt). Die Abschlussarbeit im Studiengang Angewandtes Wissensmanagement an der FH Burgenland enthält einen Vergleich der „Grundlagen der praktischen Information und Dokumentation“ (2004), der „Terminologie der Information und Dokumentation“ (2006) und des BID-Bereich der deutschsprachige Wikipedia anhand von etwa 50 Artikeln bzw. Einträgen aus dem Themenbereich „Thesaurus“. Stefan Hauser möchte mit der Arbeit darüber Aufschluss geben, wie in den drei Publikationen Terminologiearbeit realisiert wird, welche Unterschiede dabei feststellbar sind und auf welche Faktoren sie zurückgeführt werden können. Dazu geht er unter Anderem Makrostruktur (3.4), Mikrostruktur (Lemmatisierung (3.5.1), Einleitung (3.5.2), Begriffsklärung und Definition (3.5.3)) und die Vernetzung der Einträge untereinander (3.6) ein.

Obgleich man über Details streiten kann, bildet die Arbeit einen guten Ãœberblick über Terminologiearbeit nicht zuletzt in Wikipedia. Bei der Erstellung des – mittlerweile vom Umfang recht gut ausgebauten – Themenbereiches Bibliothek, Information, Dokumentation habe ich zur Beurteilung der Abdeckung auch auf verschiedene Wortlisten zurückgegriffen. Eine genauere und umfassendere Analyse der Artikelabdeckung und Qualität in Wikipedia dürfte genügend Stoff für eine weitere Bachelor- oder Masterarbeit abgeben. Unabhängig davon bleibt zu hoffen, dass mehr und mehr Experten Wikipedia auch als Autor kennenlernen und ihr Wissen direkt dort eintragen, wo es nachgeschlagen und weitergenutzt wird – denn dass Informationen nur deshalb mehr Wert besitzt, weil sie gedruckt worden sind und nicht so leicht korrigiert werden können, sollte mittlerweile von niemandem mehr ernsthaft angenommen werden.

Ende der Venterisierung und Napsterisierung

31. Oktober 2008 um 02:00 Keine Kommentare

Seit ich meine Wikipedia-Beobachtungsliste nur noch spärlich nutze, entdecke ich einige Änderungen erst wenn es schon praktisch zu spät ist – so zum Beispiel die Löschung der Artikel „Venterisierung“ und „Napsterisierung“ vor einigen Tagen. Reiner Kuhlen führte diese beiden Begriffe 2002 ein, um damit die „kontrollierte, private Aneignung von Wissen“ auf der einen und die „Aneignung und Weitergabe von Informationsprodukten unter Umgehung kommerzieller Gepflogenheiten“ auf der anderen Seite zu charakterisieren.

Da die im März 2004 von Agon Buchholz angelegten Artikel – im Gegensatz zu vielem anderen, was in Wikipedia gelöscht wird – eigentlich ganz gut geschrieben sind, habe ich sie ins BIT-Wiki eingestellt. Ob die Entfernung aus Wikipedia gerechtfertig ist oder nicht, kann ich nicht eindeutig sagen. Ich habe eher den Eindruck, dass sich die Begriffe weder in der Fachwelt noch in der Öffentlichkeit durchgesetzt haben. Abgesehen von einem Telepolis-Artikel stammen die meisten Erwähnungen von Kuhlen selbst.

Dennoch sind die mit Venterisierung und Napsterisierung beschriebenen Phänomene weiterhin aktuell. Sollten sie deshalb in Wikipedia erwähnt werden? Möglicherweise. Wer etwas daran auszusetzen hat, welche Inhalte aus dem Bibliotheks- und Informationsbereich sich in Wikipedia finden oder nicht finden und welche Qualität die Artikel aufweisen, soll sich daran beteiligen oder die Inhalte des de-facto Standard-Nachschlagewerks so hinnehmen wie sie sind. Die hinter Wikipedia stehende Hoffnung ist, dass relevante Inhalte, die entfernt wurden, irgendwann wieder eingestellt werden (weil jemand eine Lücke entdeckt) und dass irrelevante Inhalte, irgendwann entfernt werden (weil jemand merkt, wie unnötig sie sind). Wikipedia ist ein Community-basierter-Hypertext, der ständig in Bewegung ist. Wikipedia-Inhalte ändern sich ebenso wie sich unsere Begriffswelt ändert.

Wie Begriffe aufkommen und wieder in Vergessenheit geraten, kann man beispielsweise mit Hilfe von Google Trends analysieren. „Web 2.0“ war ursprünglich wie „Venterisierung“ und „Napsterisierung“ auch nur eine Neuschöpfung, die sich allerdings durchgesetzt hat und inzwischen langsam wieder abflaut (siehe Abbildung). Noch kürzer ist der Hype-Zyklus beispielsweise bei Second Life.

P.S: Wer sich für die herausragenden Bereiche der Qualitätssicherung in Wikipedia interessiert, sollte einen Blick auf die Bewertungen und den Schreibwettbewerb werfen. Der 9. Wettbewerb ist gerade zu Ende gegangen und die Preisträger sowie die Sieger des Publikumspreis stehen fest.

Begriffssysteme, Ontologien und ihr gemeinschaftlicher Aufbau mit Wikis

27. Mai 2007 um 13:06 2 Kommentare

Vor inzwischen gut 4 Jahren habe ich mich im Rahmen einer Studienarbeit im Diplomstudiengang Informatik mit verschiedenen Arten von Begriffssystemen beschäftigt. Ausgangspunkt war der mangelnde Austausch zwischen Informationswissenschaft und Informatik im Bereich der Wissensorganisation: Während die Informatiker plötzlich alles „Ontologie“ nannten und mit der unreflektierten Neuerfindung des Rades Forschungsgelder einkassierten, hinkten die Informationswissenschaftler der technischen Entwicklung um Jahre hinte (syptomatisch unter Anderem daran erkennbar, dass viele Thesauri bislang nur auf Papier erhältlich sind).

Die Situation bessert sich inzischen, wenn auch nur langsam. So ist beispielsweise beim Thema Tagging (früher: Indizierung/Indexierung) momentan Ähnliches zu beobachten, weshalb ich mit den Versuch einer umfassenderen Typologie von Indexierungssystemen gewagt habe. Im Tagungsband der letzten DGI-Online-Tagung ist nun ein feiner Artikel von Katrin Weller aus dem Ontoverse-Projekt zum „Kooperativen Ontologieaufbau“ erschienen, der sich in Bezug auf die Begriffsverwirrung in der Ontologieforschung und der Notwendigkeit einer Zusammenarbeit zwischen den Disziplinen meiner damaligen Beurteilung anschließt.

Der Artikel ist ebenso wegen Wellers Ausführungen zum gemeinschaftlichen Ontologieaufbau und der dafür angedachten Verwendung von Wikis zu empfehlen. Im Forschungsprojekt Ontoverse soll eine Wiki-Plattform zur gemeinschaftlichen Erstellung und Pflege von Ontologien entwickelt werden, die „inter-ontologische“ (Aufarbeitung von Wissen innerhalb eines abgegrenzten Themenbereiches) und „intra-ontologische“ (Interoperabilität zwischen verschiedenen Ontologien) Aspekte in Beziehung setzt und „die Konsensbildung und den Diskurs im Rahmen des Ontologieaufbaus unterstützt“. Zwar fehlen im Artikel etwas konkretere Beispiele und einige bereits existierende Ansätze wie beispielsweise Semantic MediaWiki oder bisherige Versuche, einfache Thesauri und Klassifikationen mit Wikis zu verwalten, bleiben unerwähnt, aber es handelt sich ja auch nur um eine erste Einführung.

Ich bin gespannt auf die Ergebnisse des Ontoverse-Projekts und hoffe, dass es nicht bei rein akademischen Prototypen bleibt, wie in der Informatik leider allzu oft üblich – bis jetzt ist ja auf der Homepage des Projekts wenig konkretes zu erfahren und der Aufruf zu einem Workshop 2006 ist ja auch nicht mehr ganz aktuell.