Gute Laune behalten in der Finanzkrise

9. Oktober 2008 um 10:18 3 Kommentare

Bislang versuche ich noch das Positive an der aktuellen Finanzkrise zu sehen. So ist beispielsweise Urlaub in Island endlich bezahlbar:

Kurs der Isländischen Krone

Kurs der Isländischen Krone

Leider ist es auf der schönen grünen Vulkaninsel voller Musiker um diese Jahreszeit nicht mehr ganz so gemütlich, weshalb ich mich nach anderen aufmunternden Folgen der aktuellen Finanzkrise umgesehen habe. Wenn ich schon die ganzen Hilfen für den ach so überlegenen Kapitalismus mittragen muss., möchte ich dafür wenigstens etwas zum Lachen haben. Danilo Vetter kommt mit der am Dienstag in seinem Blog begonnen Serie „Soundtrack zur Finanzkrise“ da gerade recht.

Besonders gefallen hat mir der Hinweis auf den ebenso unterhaltsamen wie lehrreichen Kurzfilm „Wie funktioniert Geld?“ (Teil 1, Teil 2, Teil 3) den Maximilian Block 2005 im Rahmen seiner Diplomarbeit erstellt hat. Man sollte sich nicht davon verwirren lassen, dass der Film als Satire daherkommt, denn die grundlegenden Prinzipien von Geld, Banken, Zins und Inflation/Deflation werden gut dargestellt.

Problematisch ist lediglich, dass der Eindruck entstehen könnte, das Finanzsystem basierte auf einer Verschwörung („Alien“). Der Fehlschluß zum antisemitischen Quark von „schaffendem“ und „raffendem“ Kapital, den die antikapitalistische Rechte vertritt ist da nicht weit (einer der letzten Verweise auf den Film stammt von dem Menschenfeinden des NPD-Regionalverband Böblingen, Stuttgart, Ludwigsburg). Nein, den Crash haben wir uns mit unserer Geiz-ist-geil-Mentalität schon selber eingebrockt und wenn der Ex-Hypo Real Estate-Vorstand im November 2007 sagte, dass seine Bank „gestärkt aus der Krise“ hervorginge, dann trifft das zwar nicht auf seine Bank aber eben doch auf das System zu; denn Gewinne machen möchte jeder gerne, vom Banker bis zum Arbeiter.

Es wird also wohl noch einige Krisenzyklen dauern bis zum letzten Gefecht. Die GEMA-Rechte der Internationalen lagen (liegen?) übrigens lange bei dem Volksmusik-Magnaten Hans Rudolf Beierlein; aber das mit den immateriellen Monopolrechten und wie die Allmende privatisiert wird, um weiter Gewinne und abhängige Lohnarbeit zu steigern, ist ein anderes Thema.

P.S: Wieso ist es eigentlich derzeit so ruhig um die ehemalige (?) Attac-Forderung nach Einführung einer Steuer auf internationale Devisengeschäfte o.Ä.? Attac mag zwar etwas naiv und uneinheitlich sein, aber immerhin werden auch normale Menschen angesprochen, die bei Hinweisen auf Kritische und andere Theorien verständlicherweise lieber abwinken.

In die Pleite mit ungeplanten Medien-Mashups

29. September 2008 um 19:59 3 Kommentare

Eine interessante Verkettung von Internetbasierten Medien hat am 8. September zu einem Verlust von mindestens 20 Millionen Dollar in 5 Minuten geführt. Für Banken sind das zwar im Moment sprichwörtliche „Peanuts“ (die ich gerne annehme), aber die Geschichte ist so bemerkenswert, dass ich die Details nachrecherchiert und hier zusammengefasst habe. Weitere Informationen gibt es unter Anderem im Artikel von James Erik Abels.

Am 10.12.2002 veröffentlichte die Zeitung Chicago Tribute einen Artikel über den damaligen Konkurs der Flugline United Airlines. Der Artikel erschien auch im Online-Portal South Florida Sun Sentinel, das zum Tribune gehört. Inzwischen ist United Airlines wieder – mehr schlecht als recht – im Geschäft und der Artikel war im Sentinel über das Archiv abrufbar – im Google Cache kann man sich noch ein Bild davon machen. Wegen des Sturms am Wochenende suchten anscheinend mehr Sentinel-Nutzer nach „United Airlines“ und stießen auf den Artikel, der – es war sonst wohl nix los – auf der Seite unter „Popular stories / most viewed“ auftauchte. Die dort verlinkten, durch die „Wisdom-of-the-Crowds“ ausgewählten Artikel werden nicht nur wiederum häufiger angeklickt sondern auch von Newsaggregatoren wie Google News eingesammelt. Die Agentur Income Securities Advisors Inc. bekommt den Artikel vom Newsaggregator über einen Suchalert und anstatt nochmal nachzurecherchieren schickt der betreffende Mitarbeiter eine Mitteilung an seine Kunden und an Bloomberg Terminal, das Informationsportal für Börsenhändler (die genaue Tickermeldung konnte ich nicht mehr ausfindig machen). Daraufhin werden UA-Aktien verkauft (durch Menschen oder Softwareprogramme, die den Ticker auswerten); als der Kurs fällt, verkaufen automatisch weitere Softwareprogramme und der Kurs stürzt bei einem Verkaufsvolumen von mehr als 20 Millionen $ von 12.45$ auf 3$ – bis der Handel ausgesetzt wird. Corey Rosenbloom hat in seinem Artikel eine Grafik ders Kursverlaufs.

Hm, das erinnert mich an Joseph Weizenbaums bereits 1976 erschienenes Buch „Die Macht der Computer und die Ohnmacht der Vernunft“. Irgendwo waren zwar noch Menschen beteiligt, aber die von ihnen geschaffenen Systeme (Online-Archive, Aggregatoren, Empfehlungs- und Alerting-Dienste, Börsenprogramme und – last-but-not-least – der alte „Schlawiner Kapitalismus“) beherrschen weitgehend das Geschehen. Ich habe die Geschichte in meiner Lehrveranstaltung verwendet, um verschiedene Informationsdienste zu illustrieren und auf die Bedeutung von Metadaten und Informationskompetenz hinzuweisen.

Eine eigene Darstellung der Geschehnisse von Sentitel vom 9.9. gibt es hier und ein passendes Video zur Bankenkrise gibt es von Extra 3.

Freiheit statt Vollbeschäftigung

1. Mai 2008 um 03:49 2 Kommentare

Als Kind habe ich mich immer gewundert, dass am Tag der Arbeit nicht gearbeitet wird – müsste es nicht eher „Tag der Freizeit“ heissen? Inzwischen denke ich dass Paradox lässt sich besser anders auflösen: In Zukunft wird am Tag der Arbeit gearbeitet und dafür ist an den meisten anderen Tagen frei. Dank fortschreitender Automatisierung können nämlich immer mehr Bedürfnisse für immer mehr Menschen mit immer weniger Arbeit befriedigt werden. Ein viel größeres Paradox ist angesichts des andauernden Zuwachses an Produktivität, dass die Mehrheit noch immer den Götzen Lohnarbeit anbetet und von Vollbeschäftigung fabuliert.

Die Initiative Freiheit statt Vollbeschäftigung hat dieses Paradox erkannt und fordert (begleitet von durchdachten Begründungen und Erklärungen) ein Bedingungsloses Grundeinkommen – wer sich jetzt mit einem „das kann doch gar nicht funktioneren!“ abwendet, meint wahrscheinlich auch dass man gegen Hunger und Armut „nun mal nichts machen kann“. Ich weiß nicht, ob ich noch erleben werde, dass irgendwann alle Menschen – ohne Arbeiten zu müssen – mit Nahrung, Kleidung, Wohnung etc. versorgt werden, aber am Tag der Arbeit sollte soviel Utopie schon sein.

Eine andere Welt ist möglich!

Von G8, Ляпис Трубецкой und Krosslingualer Suche

7. Juni 2007 um 01:46 2 Kommentare

Eine der ebenso schönen wie gefährlichen Eigenschaften des Netzes ist es, Dinge kennenlernen zu können, denen man anderweitig wohl nur durch ferne Reisen begegnet wäre – beispielsweise Heiligendamm oder Minsk. Nun habe ich einen Ohrwurm von der weißrussische Band Ляпис Трубецкой (Lyapis Trubetskoj), deren neue Single Капитал (Kapital) schon seit März in den Russischen TOP 100 läuft. Dazu gibt es ein sehr schönes Video, auf das ganz am Rande Neuraum in einem intelligenten Kommentar zu den G8-Protesten bei Spreeblick (aktuelle Berichterstattung unter Spree8) hingewiesen hat. Er zitiert den Refrain:

In der linken Hand “Snickers”,
In der rechten Hand – “Mars”
Mein PR-Manager ist
Karl Marx

Eine grobe englische Ãœbersetzung gibt es bei Belarusnews, das russische Original scheint das hier zu sein – ich sollte endlich mal kyrillische Buchstaben lernen. Kann jemand mit einer guten deutschen Ãœbersetzung aushelfen? Nützlich war bei der kurzen Recherche die bei AgoraWissen beschriebene Google Cross Language Search.

P.S.: Und noch zwei nette Videos zu G8 bei YouTube (extra3 bzw. scheibenwischer).