Justizministerium verkauft Urheberrechtsnovelle dummdreist als Erfolg

6. Juli 2007 um 14:35 3 Kommentare

Bei Lektüre der Pressemitteilung des Bundesjustizministeriums zur (inzwischen wievielten?) Novelle des Urheberrechts vom 5. Juli 2007 kann es einem angesichts der Dreistigkeit der PR-Abteilung schon den Atem verschlagen. Unter „Schranken für Wissenschaft und Forschung“ steht dort:

Die Novelle erlaubt es öffentlichen Bibliotheken, Museen und Archiven erstmalig, ihre Bestände an elektronischen Leseplätzen zu zeigen. Damit behalten diese Einrichtungen Anschluss an die neuen Medien. Die Medienkompetenz der Bevölkerung wird gestärkt. Neu ist auch, dass Bibliotheken auf gesetzlicher Basis Kopien von urheberrechtlich geschützten Werken auf Bestellung anfertigen und versenden dürfen, z.B. per E-Mail. Das dient dem Wissenschaftsstandort Deutschland.

Fakt ist, dass öffentlichen Bibliotheken, Museen und Archiven schon seit Jahren ihre Bestände sowohl an elektronischen Leseplätzen als auch über das Web zeigen und über Subito per E-Mail verschicken. Bei Werken, die nicht Open Access sind, ist dazu in der Regel ein Benutzeraccount und eine Gebühr erforderlich und die Verlage werden dafür durch Lizenzgebühren und Pauschalabgaben bezahlt. Dies wird durch die Urheberrechtsnovelle nun verhindert.

Der Versand per E-Mail ist nur erlaubt, wenn „der Verlag nicht ein offensichtliches eigenes Online-Angebot zu angemessenen Bedingungen bereithält“, also statt einem einfachen, einheitlichen Zugang versucht jeder Verlag in einem eigenen Angebot, einzelne Kopien von digitalen Objekten zu verkaufen. Darüber Hinaus ist „die Anzahl der Vervielfältigungen eines bestimmten Werkes, die an Leseplätzen gleichzeitig gezeigt werden dürfen, grundsätzlich an die Anzahl der Exemplare im Bestand der Einrichtung geknüpft“, also muss der Leser in die Bibliothek laufen, und dort warten, das eine einzelne Kopie eines digitalen Objektes „frei“ wird.

Offensichtlich ist das Justizministerium noch immer nicht im digitalen Zeitalter angekommen. Nochmal für die die ewig Gestrigen in Ministerien, Presse und Verlagen:

Es ist eine inhärente Eigenschaft digitaler Objekte, dass sie sich verlustfrei in beliebiger Anzahl kopieren lassen!

Wenn ihr euch darauf nicht einstellt, sondern versucht, veraltete Geschäftsmodelle aus dem letzten Jahrtausend auf juristischem Wege aufrecht zu erhalten, ergeht es euch ebenso wie den Dinosauriern. [Hinweis via Till]

3 Comments »

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  1. Auch interessant das Protokoll: http://www.bundestag.de/bic/plenarprotokolle/pp/99i/16108j.zip

    Ich habe ein paar interessante Ausschnitte auf der InetBib gepostet:

    http://www.ub.uni-dortmund.de/listen/inetbib/msg33895.html

    Die schlichte Kopierbarkeit wird eher als Schreckgespenst gesehen (Dr. Krings, CDU/CSU):

    Wir haben sicherlich noch nicht alles getan. Dass auch der Gesetzentwurf noch einige Punkte offenlässt, will ich nicht verhehlen. Ich bin sicher, dass der Gesetzgeber des Jahres 1965 sich Privatkopien in der heutigen Form so noch nicht vorgestellt hat – sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht. Heute geht es eigentlich nicht mehr um Kopieren, sondern um Klonen – einfach, schnell, ohne Qualitätsverlust und billig.

    Das Kopieren ohne entsprechende Verwertungsrechte will man als Eigentumsverletzung sehen (Norbert Geis, CDU/CSU):

    Wir müssen den Menschen klarmachen, dass es hierbei um Eigentumsrechte bzw. um verfassungsrechtlich geschützte Rechte geht, die genauso zu achten sind wie andere Eigentumsrechte. Deswegen ist der Begriff „nennenswerter Umfang“ zu Recht gestrichen worden.

    Na dann prost.

    Comment by Hans-Werner — 6. Juli 2007 #

  2. […] Justizministerium verkauft Urheberrechtsnovelle dummdreist als Erfolg (jakoblog.de, 2007-07-06 um 14:35) […]

    Pingback by Verweisungsform.de — 6. Juli 2007 #

  3. […] in der Blogosphäre (zB. hier, hier, hier, hier oder auch hier), wie auch auf Mailinglisten (hier oder hier) kam es richtigerweise […]

    Pingback by InfoWissBlog Saarbrücken » Blog Archive » Urheberrecht, Korb 2 — 8. Juli 2007 #

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