Die Männer im Postpatriarchat: ratlos

27. November 2011 um 02:59 16 Kommentare

Vor einigen Tagen schrieb Antje Schrupp einen Blogartikel über Die Männer und das Patriarchat. Darin berichtet sie von einem Artikel des Philosophen Riccardo Fanciullacci über das „Ende des Patriarchats“. Eine kürzere Zusammenfassung von Schrupps Artikel gibt es bei Daniel Ehniss. Mit dem „Ende des Patriarchats“ ist nicht gemeint, dass das Patriachat, also die systematische Privilegierung von Männern, überwunden wäre. Die Bekämpfung des Patriarchats ist nur nicht mehr das Zentrum feministischer Betätigung. Diese These kann ich zumindest basierend auf der regelmäßigen Lektüre von feministischen Medien wie Missy Magazin oder Mädchenmannschaft nachvollziehen. Diese Medien würde ich mal grob einer Art von neuem Feminismus zuordnen, der einfach keinen Bock mehr darauf hat, dauernd anderen ihr Sexistisches Verhalten erklären zu müssen. Auffallend im Vergleich zum früheren (Differenz-?)Feminismus ist vielleicht noch die explizite Einbeziehung von Gender-Themen, d.h. es wird davon ausgegangen, dass „Mann“ und „Frau“ vor allem soziale Konstrukte sind, die überwunden werden müssen (hier wird dann häufig Judith Butler angeführt, was ich hiermit ungelesen auch mache und damit vermutlich „männliches Redeverhalten“ und poserhaftes Mackertum demonstriere).

Für feministische Frauen ist jedenfalls das Patriarchat zumindest theoretisch erledigt: jegliche Setzung des Männlichen als Norm ist einfach nur noch lächerlich. Männer können das Patriarchat dagegen nicht so einfach abschütteln, so Fanciullaccis These. Ich möchte hier nicht weiter auf seine Schlussfolgerungen in drei konkreten Vorschlägen eingehen, zumal ich sie zumindest für fragwürdig halte. Mit der Ausgangsthese stimme ich jedoch überein. Grundvoraussetzung ist dabei natürlich, dass das Patriarchat abgeschafft gehört, d.h. eine gewisse pro-feministische Grundhaltung. Doch was kommt nach dem Patriarchat? Diese Frage ist vor allem ein Problem für die Männern, denn sie können sich nicht einfach in Luft auflösen oder ihr Geschlecht völlig aufgeben.

Nach der Lektüre von Antje Schrupps Artikel habe ich versucht irgendwelche Online-Communities o.Ä. zu finden, in denen Themen wie die Ausgestaltung einer post-patriachalen Männlichkeit diskutiert werden. Leider stößt man dabei fast ausschließlich auf maskulistische Scheiße. Der Maskulismus ist eine sehr verbreitete Reaktion auf die Herausforderung des Postpatriarchats. Etwas vereinfacht gesagt, wünschen sich Maskulisten die „Gute alte Zeit zurück, wo Männer noch echte Männer und Frauen noch richtige Frauen waren“. Dies geht meist einher mit Homophobie und der Ablehung von Geschlechtsidentitäten jenseit von Mann und Frau. Ich kann die Sehnsucht nach einfachen, klaren Rollenbildern nachvollziehen, das ist aber natürlich der völlig falsche Weg. Ebenso falsch ist übrigens das Augen-Zu-Prinzip der Idee von „post-gender“, nach der das Patriarchat schon überwunden wäre und somit alle bitte schön zur Tagesordnung übergehen sollten.

Einige Männer, die sich mit ihrer Ratlosigkeit auseinandersetzen, habe ich dennoch gefunden. Sicher lässt sich auch noch an die Männerbewegung der 1970er und 80er anknüpfen, mir ging es aber vor allem um das hier und jetzt. Es wäre schön, wenn nach dem oben genannten neuen Feminismus auch die pro-feministische Männerbewegung ein Revival erlebt. Adrian Lang schlägt die Einrichtung von (pro-)feministischen Männergruppen vor und hat schon einige Interessenten aber auch Widerspruch gefunden. Yaneaffar fragt ob Männer Feministen sein können. Obgleich ich beiden zustimmen kann, beschränkt sich das Interesse für meinen Geschmack noch etwas zu sehr auf Anti-Sexismus: Aktionen wie das in den Kommentaren angeführte Macker Massaker sind richtig und wichtig, beantworten aber nicht die Frage nach einem neuen Männerbild. Daneben gibt es noch die Kritische Männlichkeitsforschung, die jedoch eher akademisch-theoretisch bleibt. Im Englischen gibt es das Magazin XY Online, das sich pro-Feministisch mit einer Vielzahl von Männerthemen auseinandersetzt. Sowas würde ich mir auch im deutschsprachigen Raum wünschen!

P.S.: Inzwischen habe ich die Schweizer „Männerzeitung“ gefunden. Sieht zwar etwas dröger aus als das Missy-Magazin und bezieht sich oft speziell auf die Zustände in der Schweiz, aber zumindest gegen Anti-Feminismus.

P.P.S: Es gibt sie doch noch, eine deutschsprachige, Männerbewegung, die nicht völlig merkbefreit ist: inzwischen habe ich die Vereine Dissens e.V. und AGENS e.V. (letzterer nur bedingt empfehlenswert) sowie die Zeitschrift Switchboard gefunden und einiges zur akademischen Männerforschung zusammengetragen. Und Arne Hoffmann legt dar, wie im Netz leider eine rechtslastige Minderheit der Männerbewegung den Ton angibt.