Wikimedia-Projekt Bibliographisch archivalische Datenbank
10. September 2011 um 10:51 1 KommentarIn Nürnberg findet dieses Wochenende mit der WikiConvention 2011 eine Wikimedia/Wikipedia-Tagung statt – in mehr als 80 Workshops diskutieren die über 160 Teilnehmer über vielfältige Möglichkeiten und Probleme im Wikimedia-Universum. Heute morgen habe ich an der Veranstaltung von Olaf Simons zu einer geplanten
Bibliographisch archivalischen Datenbank teilgenommen. Das von Wikimedia Deutschland geförderte Projekt lässt sich in den größeren Rahmen der Idee von „WikiData“ einordnen.
Die Kernidee der „bibliographisch-archivalischen Datenbank“ scheint für Kenner des Bibliotheksbereiches etwas naiv, soll doch nichts weniger als ein „Internationaler Katalog und Recherechewerkzeug für alle Bücher aus einem begrenzten Erscheinungszeitraum“ erstellt werden. Andererseits tut ein wenig unkoventionelle Naivität ganz gut, um die traditionellen, geschlossenen Katalogstrukturen zu überwinden. Mit der Datenbank sollen bibliographische Daten als Forschungsdaten verwendet werden können, beispielsweise um sie nach nach Erscheinungsorten, -jahren und beteiligten Personen zu durchforsten, Inhalte zu annotieren und zu korrigieren, und neue Verbindungen und Visualisierungen herzustellen. Die bestehenden Kataloge wie VD16, VD17, VD18 oder im Englischsprachigen Raum ESTC können dazu eher als Steinbruch und Datengrundlage dienen – ohne kollaborative Funktionen und einfachen Datenexport bleiben solche Projekte jedoch zwangsläufig unter ihren Möglichkeiten.
Wie Olaf Simons berichtete, gab es bei ersten Gesprächen zwischen der Bodleian Library und Wikimedia-Vertretern einige Aha-Effekte. Dort – wie auch an einigen anderen Bibliotheken – gibt es zwar schon Bestrebungen, Nicht-Bibliothekare an bibliographischen Datenbanken zu beteiligen, vor allem durch Forscher für historische Bestände. Vergleicht man die Ansätze mit Lösungen aus dem Wikimedia-Universum, scheinen jedoch oft Räder neu erfunden zu werden. Gleichzeitig sind auch die Verfahren in Wikipedia historisch gewachsen und nicht immer auf andere Kontexte anwendbar. Etwas überrascht hat mich Simons Bericht darüber, wie unsicher bisherige Forschungsprojekte zu historischen Publikationsdaten sind: Bestand und Weiternutzung der Forschungsdaten an Bibliotheken sind nach Ablauf der Projektphase in der Regel nicht möglich, was für die Bibliotheken aus meiner Sicht ein Armutszeugnis ist. Nicht nur aus diesem Grund ist es wahrscheinlich sinnvoller, die bibliographischen Datenbanken nicht primär an einer Bibliothekseinrichtung sondern bei Wikimedia, vergleichbar mit Wikisource. Im Gegensatz zu Wikisource sollte es jedoch nicht verschiedene Sprachversionen sondern gleich eine internationale Datenbank geben.
Im Verlauf des Workshop stelle Mathias Schindler einige bereits verwendete Mapping-Tools vor, mit denen Wikipedianer und andere Freiwillige schon mehrere Hunderttausend Verknüpfungen zwischen Personen, Bildern und Publikationen gefunden haben, zum Beispiel im Rahmen der Kooperation mit dem Bundesarchiv. Selbstverständlich konnten wir im kurzen WikiCon-Workshop kein fertiges Konzept für eine kollaborative, bibliographisch-archivalische Datenbank vorlegen. Sicher ist jedoch, dass wir früher oder später bibliographische Systeme haben werden, die wenig mit den geschlossenen Katalogsystemen von Bibliotheken zu tun haben. Um diese Vision voranzutreiben, sollen in dem von Olaf Simons geleiteten Projekt möglichst alle interessierten Personengruppen (Fachwissenschaftler, Wikimedia-Community, Open-Data Community, Techniker und Bibliothekare) zusammengebracht werden. Feedback ist ausdrücklich erwünscht!
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