Produktion 2.0 – eine Ãœbersicht

24. Februar 2012 um 01:24 9 Kommentare

Seit einigen Jahren verfolge ich mit etwas Abstand und wachsender Begeisterung eine Bewegung, die unsere Gesellschaft möglicherweise in ähnlicher Weise umkrempeln wird wie das Internet. Eine prägnante deutsche Bezeichnung für diese Bewegung habe ich noch nicht gefunden. Vorhandene englischen Begriffe wie Do-it-yourself, Crafting, Personal Fabricating, Home fabricating etc. heben nur verschiedene Aspekte hervor. Im Grunde genommen geht es darum, dass die allgemeine Digitalisierung und Automatisierung von der Kommunikation auf die Produktion übergreift. Ob die Verbreitung von Produktionsmitteln wie in Star Trek vorhergesehen endlich zu einer Abschaffung des Kapitalismus führt, sei dahingestellt. Ich möchte hier einige Ideen und Notizen zusammenfassen, um sich
dem Thema zu nähern.

Es dürfte sich inzwischen herumgesprochen haben, dass das die Digitaltechnik einen tiefgreifenden Wandel mit sich gebracht hat für die Art und Weise wie wir kommunizieren. Dies betrifft zum einen die Formen und Mittel über die wir kommunizieren (Handys, eMails, Instant-Messaging, Soziale Netzwerke…) als auch die Frage wer mit wem kommunizieren kann (nutzergenerierte Inhalte, Peer-to-Peer-Netzwerke, Print-on-Demand…). Für viele Menschen ist es einfach geworden, Texte, Bilder, Musik und Filme zu erstellen und zu verbreiten. Da diese Inhalte digital vorliegen, können sie auch leicht von anderen verändert und kombiniert werden, was kollaborative Projekte wie Wikipedia ermöglicht. Obgleich diese Möglichkeiten teilweise durch Gesetze und die ungleiche Verteilung von Reichtum und Bildung eingeschränkt sind, setzen sie sich immer mehr durch. Die neuen Möglichkeiten der Kommunikation haben auch ihre Nachteile, aber sie sich praktisch unumkehrbar. In Zukunft werden wir einen ähnlichen Wandel bei den Möglichkeiten der Herstellung von physischen Gegenständen erleben. Obgleich sich die Entwicklung eher über mehrere Jahrzehnte hinzieht, sind schon jetzt immer mehr Anwendungen sichtbar.

Um viele Menschen zu erreichen, waren früher große Filmkameras, TV-Stationen, Druckmaschinen, Pressevertriebe u.v.a.m. notwendig. Diese Kommunikationsmittel wurden immer kleiner und billiger so dass heute fast jeder zweite mit ihnen herumläuft. Das nennt sich dann Smartphone. Um physische Gegenstände für viele Menschen herzustellen braucht es bislang große Fabriken und Maschinen. Diese Produktionsmittel werden allerdings auch immer kleiner und billiger. Dabei lassen sich verschiedene Arten von Geräten für die digitale Herstellung unterscheiden:

3D-Drucker erzeugen, in der Regel durch schichtweises Auftragen, dreidimensionale Objekte aus Materialien wie Plastik, Metall, Keramik, Sandstein, Glas u.A. (additive Herstellung).

Cutter schneiden aus verschiedenen Materialen wie Papier, Plastik, Holz, Stoff, Kork, Metall etc. Stücke aus, wobei verschiedene Verfahren wie Laser und Messer zum Einsatz kommen. Daneben gibt es CNC-Fräsen und weitere Verfahren, um Objekten zu zerteilen, zu bohren etc. (subtraktive Herstellung)

Darüber hinaus gibt es spezielle Maschinen zum Zeichnen, Sticken, Nähen, Weben, Umformen, Drehen, Schweißen u.v.a.m. Schließlich gibt es Roboter, die unter Anderem verschiedene Teile zusammensetzen und andere Maschinen bedienen können. Abgesehen von Industrierobotern (die kommen auch noch) sind immer mehr dieser Geräte auch für normale Menschen verfügbar. Zum einen gibt es Dienstleister, die aus digitalen Vorlagen Produkte herstellen und verschicken, und zum anderen kosten 3D-Drucker und Cutter inzwischen weniger als was noch vor einigen Jahren für Laserdrucker ausgegeben werden musste. Der Schwerpunkt liegt dabei bislang auf 3D-Druckern und Cuttern. Während professionelle 3D-Drucker (u.A. von Hewlett-Packard) noch mehrere Tausend Euro kosten, gibt es einfache Schneidemaschinen, mit denen sich Papier, Folie und ähnliche Materialien schneiden lassen, schon für den Massenmarkt (hier eine Übersicht).

In der Computerzeitschrift c’t gab es bereits letztes Jahr einen Bericht und Vergleichstest von Anbietern für 3D-Druck. Der nach meinem Eindruck größte unter ihnen ist Shapeways. Weitere mir bekannte Anbieter sind Sculpteo, i.materialise und Kraftwurx. Ein vergleichbarer Anbieter für 2D-Cutter ist Formulor bzw. Ponoko. Daneben gibt es Firmen, die sich eher an Geschäftskunden wie rapidobject und Cut Laser Cut sowie lokale Anbieter, mit deren 3D-Drucker man sich Gegenstände ausdrucken lassen kann. Hervorzuheben sind vor allem die so genannten FabLabs, die ähnlich wie Hackerspaces als offene Werkstätten und Vereine konzipiert sind. Für den offene Austausch von Designvorlagen zur Produktion von Objekten gibt es die Plattform thingiverse.

Spannend finde ich vor allem, dass Produktionsmaschinen selbst physische Objekte sind, die sich automatisch herstellen lassen. Die gemeinsame Entwicklung einer Maschine, die eine identische Kopie von sich herstellen kann, ist das Ziel des RepRap Projekt. Die bereits entwickelten Modelle sind für unter Tausend Euro Materialkosten die derzeit günstigsten 3D-Drucker. Eine Alternative sind die Drucker der Firma MakerBot Industries, dem Betreiber von Thingiverse. MakerBot stellt die Baupläne ihrer Drucker dort frei zur Verfügung und läd dazu ein die Geräte anzupassen und zu verbessern. Daneben können die Drucker aber auch fertig gekauft werden. Das derzeit größte Modell ist mit 1749$ (ggf. plus Zoll) noch erschwinglich. Eine ähnliche Firma ist Ultimaker, deren Drucker in Europa als Bausatz €1,444 brutto kostet. Einen relativ großen Open Source Lasercutter gibt es demnächst mit dem LaserSaur und bereits jetzt den buildlog.net 2x.

Die Entwicklung von Maschinen zur digitalen Herstellung sollte auch im größeren Zusammenhang gesehen werden. So arbeitet die Open Source Ecology community beispielsweise an freien Werkzeugen für die Landwirtschaft und zur Energieerzeugung, z.B. einen Trecker und einer Dampfmaschine. Neben der Energieerzeugung sind die Rohstoffe nämlich noch eine offene Frage. Eigentlich kommen für eine nachhaltige, dezentrale Produktion nämlich nur nachwachsende Rohstoffe in Frage.

Neben Weltverbesserern und Techniknerds gewinnen digitale Produktionsmittel auch für ganz normale Heimwerker und Handarbeiter an Bedeutung. Gleichzeitig können Menschen mit ihren Produkten und Menschen, die ein Produkt suchen, leichter zueinander finden, zum Beispiel bei DaWanda. Aus bibliothekarischer Sicht muss ich allerdings sagen, dass die Erschließung und die zielgerichtete Auffindbarkeit von bereits vorhandenen Objekten bei allen genannten Plattformen mangelhaft ist. Es fehlt eine Art „WorldCat der Dinge“, in dem sich Anbieterübergreifend und übersichtlich nach Anwendungsgebieten, Materialien und anderen Kriterien suchen lässt.

Weitere Informationen und Neuigkeiten zum Thema gibt es unter Anderem bei 3druck.com und in dem Weblog handmade 2.0, das vor kurzem eine Übersicht von deutschsprachigen Crafting Zeitschriften veröffentlicht hat.

9 Comments »

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  1. Schöner Überblick!

    (Für Autos hab ich zwar nicht viel übrig, aber schau Dir mal an.)

    Comment by Kurt Jansson — 24. Februar 2012 #

  2. Sehr informativ, danke!

    Comment by Michael Jahn — 24. Februar 2012 #

  3. Vielleicht kann ich dich ja dazu überreden, noch mal beim CCCGö vorbeizuschauen. Weil: http://cccgoe.de/wiki/3D-Drucker 🙂

    Allerdings sind das wirklich erst die ersten Schritte. Insbesondere in Sachen Geschwindigkeit und Energieverbrauch ist das noch in allerhöchstem Maße optimierungsbedürftig. Bzw. taugen die Verfahren für Variabilität und Konfiguration, aber eben nicht für Effizienz. Ich würde das „Prototyping“, das da oft im Namen vorkommt, unterstreichen.

    Comment by Hans-Werner — 24. Februar 2012 #

  4. Der RepRap scheint mir persönlich zu viel Bastelei zu sein, ich würde eher erstmal einen fertigen Bausatz wie von MakeBot oder den Ultimaker kaufen. Erstmal fange ich aber mit 2D-Modellierung an, dafür wäre ein Lasercutter hilfreich. Vielleicht können wir ja Ende des Jahres einen Lasersaur zusammenbauen. Ich habe zunächst mein erstes Experiment bei Formulor in Auftrag gegeben und kann es ja mal beim CCCGö rumzeigen wenn es was geworden ist.

    Comment by jakob — 24. Februar 2012 #

  5. Makers von Cory Doctorow gelesen?

    Comment by Arvid — 24. Februar 2012 #

  6. So richtig „hach“ ist ja auch Markus Kaysers „Solar Sinter Project“: http://vimeo.com/25401444?utm_source=youtubeweb&utm_medium=facebook&utm_campaign=theme-nature

    Comment by Hans-Werner — 25. Februar 2012 #

  7. Hoi,
    danke, die Zeitschrift c`t von Heise berichtet in loser Folge über das Thema, z. B. in Ausgabe 15/2011

    Comment by Jochen — 25. Februar 2012 #

  8. @Arvid: Danke für den Futter-Hinweis für meinen eBook-Reader 😉

    @Hans-Werner: Ja, das ist cool. Am meisten hat mich allerdings bisher das Global Village Construction Set beeindruck. Letztendlich sollen mit eigenen Geräten aus Tonerde und Pflanzen Baumaterial, Metall (Aluminium) und Bioplastik hergestellt werden, woraus sich wiederum die Geräte bauen lassen. Sind Energieerzeugung und Rohstoffgewinnung im RepRap-Rrojekt auch ein Thema? Wenn ich mal Zeit habe würde ich gerne mit Windrädern aus dem 3D-Drucker experimentieren. Neuere Ergebnisse zeigen, dass sich mit Anordnungen von Windrädern mit Vertikaler Achse (=einfachere Konstruktion) sogar höhere Wirkungsgrade erreichen lassen. Ich vermute, dass Darrieus-Rotoren verwendet werden, die sollten relativ einfach zu bauen sein – vor allem wenn sich jemand mit Erfahrungen im Flugzeug-Modellbau findet.

    Comment by jakob — 27. Februar 2012 #

  9. […] als eine Woche nach meinen ersten Ausführungen ist die erste Lieferung vom 2D-Cutting-Dienst Formulor angekommen. Die Firma ist ein Joint-Venture […]

    Pingback by Wir brauchen eine offene Materialbibliothek « Jakoblog — Das Weblog von Jakob Voß — 29. Februar 2012 #

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