Anmerkungen zu Dokumenten machen Sinn

18. November 2010 um 02:41 Keine Kommentare

Ende letzter Woche ist an der UB Leipzig die Ausstellung Druck macht Sinn eröffnet worden. Die Ausstellung zeigt anhand von Inkunabeln und frühen Drucken, wie sich Seitengestaltung und Leseverhalten mit Verbreitung des Buchdrucks im späten 15. und frühen 16. Jahrhundert entwickelt haben. Normalerweise finde ich es eher peinlich, wenn Bibliotheken auf ihre Gutenberg-Bibel stolz sind, als gäbe es für sie nichts Wichtigeres (z.B. die Nutzer). Ein Exemplar dieser berühmte Bibel ist jedoch nur Ausgangspunkt der Ausstellung.

Es folgen viele Beispiele, die anschaulich zeigen, wie sich das geläufige Konzept einer gedruckten Buchseite erst entwickelte. Die Menschen waren noch sehr den Ideen einzeln handgeschriebener Dokumente verhaftet und Vieles musste erstmal ausprobiert werden. Gezeigt wird auch, dass frühe Leser keine passiven Konsumenten waren, sondern ein gedrucktes Buch durch Bindung, Verzierungen und nicht zuletzt Anmerkungen, selber mitgestalteten. Dieser Aspekt hat mich besonders interessiert, da ich mich zur Zeit mit der Möglichkeit von Anmerkungen bei elektronischen Dokumenten beschäftige. Ich habe die Bilder der Ausstellung mit freundlicher Genehmigung bei Wikimedia Commons hochgeladen, von wo sie weiterverwendet werden können. Der folgende Ausschnitt zeigt eine Ausgabe der „Brüder“ von Terenz. Der Druck von 1499 ist extra zweizeilig, um Platz für Anmerkungen zu lassen, wovon der Leser starken Gebrauch gemacht hat:

Gegen diese Möglichkeit der Interaktion sind viele digitale Dokumente heute eher ein Rückschritt. Wie es auch anders gehen könnte, habe ich erstmals 2005 in Libreas beschrieben. Neben Anmerkungen sollte auf die beschriebene Weise auch der Kontext eines Dokumentes sichtbar werden: Die abgebildete Komödie hat Terenz etwa 160 v.Chr. auf Basis von zwei griechischen Stücken erstellt, die Diphilos und Menander etwa um 300 v. Chr. geschrieben haben. Bis ins 20. Jahrhundert gab es zahlreiche kommentierte Ausgaben. In digitaler Form könnten all diese Textvarianten, Anmerkungen und Bezüge besser festgehalten und dargestellt werden.

Vielleicht werden unsere Nachfahren in einigen Jahrzehnten oder Jahrhunderten über eine andere Ausstellung schreiben:

Die Ausstellung „Digital macht Sinn“ zeigt, wie sich Objektgestaltung und Leseverhalten mit Verbreitung digitaler Dokumente im späten 20. und frühen 21. Jahrhundert entwickelt haben. Die Beispiele zeigen anschaulich, wie sich das geläufige Konzept eines digitalen Objekts erst entwickelte. Die Menschen waren noch sehr den einheitlich gedruckter Seiten verhaftet und vieles musste erstmal ausprobiert werden.

P.S: Die mit einem Zeiger und Unterstreichung hervorgehobene Stelle lässt sich übrigens in etwa mit „Was ist denn schon dabei wenn ein junger Kerl Unzucht treibt und trinkt?“ übersetzen. 🙂

P.P.S: Craig Mod hat einen sehr schöner Artikel zu Bücher im Zeitalter des iPad geschrieben, der Zeit, wo die Entwicklung hingehen kann und geht in einem weiteren Artikel geht er auch auf die erweiterten Möglichkeiten von Anmerkungen ein.

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