Wir brauchen eine offene Materialbibliothek

29. Februar 2012 um 22:54 1 Kommentar

Weniger als eine Woche nach meinen ersten Ausführungen ist die erste Lieferung vom 2D-Cutting-Dienst Formulor angekommen. Die Firma ist ein Joint-Venture des internationalen Anbieters Ponoko und dem Berliner Laden Modulor (weitere Partner in anderen Ländern sind Vectorealism und RazorLab, sicher kommen in Zukunft mehr). Das umfangreiche Angebot des Material-Ladens Modulor hatte mich schon begeistert als ich noch in Berlin wohnte. Das offene Lager (inzwischen am Moritzplatz) lässt sich eher mit einer gut sortierten Buchhandlung als mit einem Baumarkt oder einem einfachen Bastelladen vergleichen. Ich habe mir deshalb neben der Modulor-Musterkiste gleich eine Musterkiste von Formulor schicken lassen:

Die Palette der Materialien, aus denen bei Formulor Teile geschnitten werden können, reicht von Acrylglas in verschiedenen Farben und Lichtdurchlässigkeiten (transparent, transluzent, opak) über Holz, Filz, Leder, Wellpappe und Karton bis zu Spiegeln, Silikon und Stempelgummi. Aus dokumentarischer Sicht lässt sich allerdings die Beschreibung der Materialien verbessern.

Ich hätte gerne genaue physikalische Angaben zu Dichte, Lichtdurchlässigkeit, Bruch- und Feuerfestigkeit, Ausdehnungskoeffizient etc. – natürlich kann und sollte das nicht eine private Firma im Alleingang machen, mir schwebt eher eine „digitale Materialbibliothek“ vor. Wäre das nicht eine gute Anwendung für das „Semantic Web“, um Suchen wie „Material mit Bruchstärke X und Gewicht zwischen Y und Z“ zu ermöglichen? Die Materialdatenbank sollte wie Wikipedia möglichst offen und kollaborativ erstellt werden, z.B. als WikiData-Projekt.

Neben dem Lager von Modulor und ähnlichen Firmen (z.B. Material ConneXion Cologne und Materialsgate) gibt es bereits einige kleine Materialbibliotheken an Hochschulen, z.B. an der FH Münster, in Luzern, Mainz, Niederrhein etc. und Materialdatenbanken z.B. an der FH Potsdam und der TU Delft. Die beste Datenbank, die ich bei meiner kurzen Recherche finden konnte ist das Materialarchiv, ein Verbundkatalog der Schweizer Materialbibliotheken. Open Data sind die Materialbeschreibungen dort aber leider auch nicht.

P.S.: Und was die Buchmesse für die Literaturwelt ist, ist anscheinend die Materialica für die Materialwelt 😉

Produktion 2.0 – eine Ãœbersicht

24. Februar 2012 um 01:24 9 Kommentare

Seit einigen Jahren verfolge ich mit etwas Abstand und wachsender Begeisterung eine Bewegung, die unsere Gesellschaft möglicherweise in ähnlicher Weise umkrempeln wird wie das Internet. Eine prägnante deutsche Bezeichnung für diese Bewegung habe ich noch nicht gefunden. Vorhandene englischen Begriffe wie Do-it-yourself, Crafting, Personal Fabricating, Home fabricating etc. heben nur verschiedene Aspekte hervor. Im Grunde genommen geht es darum, dass die allgemeine Digitalisierung und Automatisierung von der Kommunikation auf die Produktion übergreift. Ob die Verbreitung von Produktionsmitteln wie in Star Trek vorhergesehen endlich zu einer Abschaffung des Kapitalismus führt, sei dahingestellt. Ich möchte hier einige Ideen und Notizen zusammenfassen, um sich
dem Thema zu nähern.

Es dürfte sich inzwischen herumgesprochen haben, dass das die Digitaltechnik einen tiefgreifenden Wandel mit sich gebracht hat für die Art und Weise wie wir kommunizieren. Dies betrifft zum einen die Formen und Mittel über die wir kommunizieren (Handys, eMails, Instant-Messaging, Soziale Netzwerke…) als auch die Frage wer mit wem kommunizieren kann (nutzergenerierte Inhalte, Peer-to-Peer-Netzwerke, Print-on-Demand…). Für viele Menschen ist es einfach geworden, Texte, Bilder, Musik und Filme zu erstellen und zu verbreiten. Da diese Inhalte digital vorliegen, können sie auch leicht von anderen verändert und kombiniert werden, was kollaborative Projekte wie Wikipedia ermöglicht. Obgleich diese Möglichkeiten teilweise durch Gesetze und die ungleiche Verteilung von Reichtum und Bildung eingeschränkt sind, setzen sie sich immer mehr durch. Die neuen Möglichkeiten der Kommunikation haben auch ihre Nachteile, aber sie sich praktisch unumkehrbar. In Zukunft werden wir einen ähnlichen Wandel bei den Möglichkeiten der Herstellung von physischen Gegenständen erleben. Obgleich sich die Entwicklung eher über mehrere Jahrzehnte hinzieht, sind schon jetzt immer mehr Anwendungen sichtbar.

Um viele Menschen zu erreichen, waren früher große Filmkameras, TV-Stationen, Druckmaschinen, Pressevertriebe u.v.a.m. notwendig. Diese Kommunikationsmittel wurden immer kleiner und billiger so dass heute fast jeder zweite mit ihnen herumläuft. Das nennt sich dann Smartphone. Um physische Gegenstände für viele Menschen herzustellen braucht es bislang große Fabriken und Maschinen. Diese Produktionsmittel werden allerdings auch immer kleiner und billiger. Dabei lassen sich verschiedene Arten von Geräten für die digitale Herstellung unterscheiden:

3D-Drucker erzeugen, in der Regel durch schichtweises Auftragen, dreidimensionale Objekte aus Materialien wie Plastik, Metall, Keramik, Sandstein, Glas u.A. (additive Herstellung).

Cutter schneiden aus verschiedenen Materialen wie Papier, Plastik, Holz, Stoff, Kork, Metall etc. Stücke aus, wobei verschiedene Verfahren wie Laser und Messer zum Einsatz kommen. Daneben gibt es CNC-Fräsen und weitere Verfahren, um Objekten zu zerteilen, zu bohren etc. (subtraktive Herstellung)

Darüber hinaus gibt es spezielle Maschinen zum Zeichnen, Sticken, Nähen, Weben, Umformen, Drehen, Schweißen u.v.a.m. Schließlich gibt es Roboter, die unter Anderem verschiedene Teile zusammensetzen und andere Maschinen bedienen können. Abgesehen von Industrierobotern (die kommen auch noch) sind immer mehr dieser Geräte auch für normale Menschen verfügbar. Zum einen gibt es Dienstleister, die aus digitalen Vorlagen Produkte herstellen und verschicken, und zum anderen kosten 3D-Drucker und Cutter inzwischen weniger als was noch vor einigen Jahren für Laserdrucker ausgegeben werden musste. Der Schwerpunkt liegt dabei bislang auf 3D-Druckern und Cuttern. Während professionelle 3D-Drucker (u.A. von Hewlett-Packard) noch mehrere Tausend Euro kosten, gibt es einfache Schneidemaschinen, mit denen sich Papier, Folie und ähnliche Materialien schneiden lassen, schon für den Massenmarkt (hier eine Übersicht).

In der Computerzeitschrift c’t gab es bereits letztes Jahr einen Bericht und Vergleichstest von Anbietern für 3D-Druck. Der nach meinem Eindruck größte unter ihnen ist Shapeways. Weitere mir bekannte Anbieter sind Sculpteo, i.materialise und Kraftwurx. Ein vergleichbarer Anbieter für 2D-Cutter ist Formulor bzw. Ponoko. Daneben gibt es Firmen, die sich eher an Geschäftskunden wie rapidobject und Cut Laser Cut sowie lokale Anbieter, mit deren 3D-Drucker man sich Gegenstände ausdrucken lassen kann. Hervorzuheben sind vor allem die so genannten FabLabs, die ähnlich wie Hackerspaces als offene Werkstätten und Vereine konzipiert sind. Für den offene Austausch von Designvorlagen zur Produktion von Objekten gibt es die Plattform thingiverse.

Spannend finde ich vor allem, dass Produktionsmaschinen selbst physische Objekte sind, die sich automatisch herstellen lassen. Die gemeinsame Entwicklung einer Maschine, die eine identische Kopie von sich herstellen kann, ist das Ziel des RepRap Projekt. Die bereits entwickelten Modelle sind für unter Tausend Euro Materialkosten die derzeit günstigsten 3D-Drucker. Eine Alternative sind die Drucker der Firma MakerBot Industries, dem Betreiber von Thingiverse. MakerBot stellt die Baupläne ihrer Drucker dort frei zur Verfügung und läd dazu ein die Geräte anzupassen und zu verbessern. Daneben können die Drucker aber auch fertig gekauft werden. Das derzeit größte Modell ist mit 1749$ (ggf. plus Zoll) noch erschwinglich. Eine ähnliche Firma ist Ultimaker, deren Drucker in Europa als Bausatz €1,444 brutto kostet. Einen relativ großen Open Source Lasercutter gibt es demnächst mit dem LaserSaur und bereits jetzt den buildlog.net 2x.

Die Entwicklung von Maschinen zur digitalen Herstellung sollte auch im größeren Zusammenhang gesehen werden. So arbeitet die Open Source Ecology community beispielsweise an freien Werkzeugen für die Landwirtschaft und zur Energieerzeugung, z.B. einen Trecker und einer Dampfmaschine. Neben der Energieerzeugung sind die Rohstoffe nämlich noch eine offene Frage. Eigentlich kommen für eine nachhaltige, dezentrale Produktion nämlich nur nachwachsende Rohstoffe in Frage.

Neben Weltverbesserern und Techniknerds gewinnen digitale Produktionsmittel auch für ganz normale Heimwerker und Handarbeiter an Bedeutung. Gleichzeitig können Menschen mit ihren Produkten und Menschen, die ein Produkt suchen, leichter zueinander finden, zum Beispiel bei DaWanda. Aus bibliothekarischer Sicht muss ich allerdings sagen, dass die Erschließung und die zielgerichtete Auffindbarkeit von bereits vorhandenen Objekten bei allen genannten Plattformen mangelhaft ist. Es fehlt eine Art „WorldCat der Dinge“, in dem sich Anbieterübergreifend und übersichtlich nach Anwendungsgebieten, Materialien und anderen Kriterien suchen lässt.

Weitere Informationen und Neuigkeiten zum Thema gibt es unter Anderem bei 3druck.com und in dem Weblog handmade 2.0, das vor kurzem eine Übersicht von deutschsprachigen Crafting Zeitschriften veröffentlicht hat.

DAIA-Server erstellen mittels Screenscraping

22. Februar 2012 um 14:59 7 Kommentare

Um die aktuelle Verfügbarkeit von Büchern und anderen Medien in GBV-Bibliotheken über eine standardisierte API abrufen zu können, entwickle ich derzeit einen zentralen DAIA-Server under daia.gbv.de. Da die verschiedenen Bibliotheken ihre lokalen Bibliothekssysteme allerdings sehr unterschiedlich konfiguriert haben, dauert die Bereitstellung von DAIA für alle Bibliotheken noch eine Weile.

Eine alternative Lösung, die auch für Bibliotheken funktioniert, die nicht im GBV sind und/oder PICA-LBS einsetzen, ist die Erstellung eines eigene DAIA-Servers. Als Grundgerüst habe ich dafür das Perl-Modul Plack::App::DAIA entwickelt und stelle es als Open Source zur Verfügung. Das Modul enthält zudem Routinen, um eigene DAIA-Server ausbgiebig auf korrekte Umsetzung zu testen – schließlich sind technische Standards, die nicht (automatisch) getestet werden können, eher unverbindliche Absichtserklärungen als wirkliche Standards. Das Perl-Modul enthält ein Beispielskript, das mittels Sceeenscraping (dank des Moduls pQuery), dem Katalog der Universitätsbibliothek Bielefeld eine DAIA-Schnittstelle aufsetzt.