Amtliches vorläufiges Endergebnis und weniger bekannte Details
28. Januar 2008 um 00:37 2 KommentareWarum wird eigentlich bei diesen blöden Hochrechnungen kein Konfidenzintervall angegeben? Egal, hier das vorläufige amtliche Endergebnis für die Landtagswahl in Niedersachsen und in Hessen. Die Wahlbeteiligung lag in Niedersachsen bei 57,0% (49,5%-63,6%) bzw. 56% der Wahlbeteiligten mit gültig abgegebenen Stimmen und in Hessen bei 64,3% bzw. 62,8% gültige Stimmen. Die NPD wurde in Niedersachsen von 52.817 Menschen mit ihrer Zweitstimme gewählt und bekommt dafür als einzige der „Sonstiges“ Parteien Wahlkampfkostenerstattung (1,5% d.h. 36.971,90€). Die meisten Anhänger scheint sie in Delmenhorst (577=2,1%) und Helmstedt (1.548 = 3,6%) zu haben. In Hessen bekamen NPD und Republikaner zusammen 51.693 Stimmen (1,9%), da sie jeweils ganz knapp unter 1% liegen, dürften sie dafür kein Geld erhalten. Dass die CDU in Hessen doch noch ganz knapp vor der SPD liegt (1.009.749 zu 1.006.154 Stimmen) könnte angefochten werden, da es beim Einsatz von Wahlcomputern zu Unstimmigkeiten kam. Unter anderem lagerten Wahlcomputer in Niederhausen in Privatwohnungen von Parteimitgliedern, wie Wahlbeobachter des CCC mitteilten. Ob die Geräte so umprogrammiert wurden, dass 1798 für die SPD abgegebene Stimmen stattdessen der CDU zugeschlagen wurden, bezweifle ich, aber es ist immerhin eine mögliche Erklärung. 😉 Mehr haarsträubende Berichte vom Einsatz der Wahlcomputer in Hessen bei Netzpolitik.
Landtagswahlen in Hessen und Niedersachsen ohne Wähler?
24. Januar 2008 um 23:21 Keine KommentareAus Anlass der Landtagswahlen in Hessen und Niedersachsen am kommenden Sonntag hier noch einige Informationen über die weniger üblichen Optionen. Abgesehen vom unwählbaren „Hessenhitler“ haben in beiden Bundesländern Prognosen zufolge CDU, SPD, Grüne, FDP und Linkspartei gute Chancen, in die Landtage einzuziehen (siehe auch die Wahlbörse von Prokons).
Wer sowieso eine dieser Parteien gut findet – sei es als positiver Anhänger oder als Vertreter der Strategie des „Kleines Ãœbels“ hat sich schon entschieden und brauch nicht mehr weiterlesen – aber was ist mit den noch Unentschlossenen? Wer Wert darauf legt, dass möglichst viele Parteien im Landtag vertreten sind, könnte sich als Protestwähler die Linkspartei überlegen – damit könnte diese in Hessen wohlmöglich noch an die Regierung kommen. Statt den Parteien im Landtag bieten sich für Protestwähler die Splitterparteien an. Dafür muss man dann aber doch ein wenig Idealist sein – oder berechnender Altruist: Ab 1% der Zweitstimmen (bzw. ab 10% in einem Wahl- oder Stimmkreis) bekommen Parteien Wahlkampfkostenerstattung. Das könnten je nach Wahlbeteiligung etwa 16.000€ (Hessen) oder 25.000€ (Niedersachsen) sein, die eine Partei dazubekommt. Die Chancen dafür sind aber eher gering, 2003 gelang es nur den Republikanern in Hessen und da die dummen Nazis dieses Jahr dort wohl eher CDU wählen, wird das auch nichts.
Es bleibt noch die Alternative, nicht oder ungültig zu wählen. Ungültig und Nichtwählen. Nichtwähler bleiben einfach zu Hause und bestätigen sowohl das Ergebnis der Wahl – wie immer es auch ausfällt – als auch ihr Desinteresse oder ihre Ablehnung der Wahl. Oder dass sie den Wahltermin verpeilt haben. Unpolitisch, verantwortungslos und undemokratisch muss das jedenfalls nicht sein – siehe zum Beispiel die Initiative Wahlabsage und das Buch Die letzte Wahl (auch in Wikipedia). Dass Nichtwähler den radikalen Parteien Vorschub leisten ist Quark und Demokratie finden wahrscheinlich viele grundsätzlich auch ganz gut – nur eben nicht diese Form der Medien-, Parteien- und Lobbyistendemokratie. Dass es unter bestimmten Bedingungen auch anders geht, zeigt Wikipedia: dort heisst eine der schönsten Regeln Nimm nicht an Abstimmungen teil. Trotzdem gibt es in Wikipedia zahlreiche Meinungsbilder und Abstimmungen. Ob, wann, wo und in welcher Form Abstimmungen sinnvoll sind, kann aber selbst wiederum diskutiert werden.
Nun ist ein Bundesland zwar nicht Wikipedia, aber alle 4 oder 5 Jahre zweifelhaften Organisationen eine Blankobescheinigung auszustellen kann es auch nicht gewesen sein. Stattdessen besteht zumindest die Möglichkeit, nicht zu wählen oder noch besser: den Gang zum Wahllokal für einen Spaziergang nutzen, den Wahlhelfern vor Ort für ihren Einsatz zu danken (bzw. sich die Wahlmanipulationsgeräte anschauen), und dann mit einem ungültigen Stimmzettel explizit gegen Mitbestimmungssimulation aussagen. Wer sich daneben anderweitig politisch beteiligt und dabei an einem offenen, gleichwertigen Austausch von Meinungen und Interessen interessiert ist, verdient mehr Respekt als jemand, der seine Stimme abgibt und sich danach höchstens noch darüber beschwert, dass „die die oben doch sowieso machen, was sie wollen.“ Dabei gibt es genügend Möglichkeiten, hier unten selber etwas zu bewirken, es muss ja nicht gleich die Revolution sein 😉
Nachtrag zu Wahlcomputern in Niedersachsen
6. Januar 2008 um 19:14 Keine KommentareWährend in Hessen zur Landtagswahl am 27.1. in acht Städten und Gemeinden als „Wahlgeräte“ kaschierte Computer die Wahl intransparenter und fälschungsanfälliger machen, wird nach einem Artikel der Welt vom 14.11.2007 bei der Landtagswahl in Niedersachsen darauf verzichtet. Allerdings ist der Einsatz in dem zuletzt am 25.11.2007 geänderten Niedersächsischen Landeswahlgesetz (PDF) ausdrücklich vorgesehen. In §26 Absatz 4 bis 7 heisst es zu Wahlgeräten:
(4) Zur Erleichterung der Abgabe und Zählung der Stimmen können anstelle von Stimmzetteln und
Wahlurnen (§ 28) nach Maßgabe der Absätze 5 und 7 Wahlgeräte benutzt werden, wenn gewährleistet ist, dass sie das Wahlergebnis nicht verfälschen und das Wahlgeheimnis wahren.(5) Die Bauart von Wahlgeräten muss für die Verwendung bei Wahlen zum Niedersächsischen Landtag amtlich für einzelne Wahlen oder allgemein zugelassen sein. Über die Zulassung entscheidet das Fachministerium auf Antrag des Herstellers des Wahlgerätes. Einer Zulassung nach Satz 2 bedarf es nicht, wenn das Wahlgerät bereits für Wahlen zum Deutschen Bundestag oder für Landtagswahlen in anderen Bundesländern mit vergleichbaren Wahlsystemen zugelassen worden ist und dies durch das Fachministerium festgestellt worden ist.
(6) Die Verwendung eines nach Absatz 5 amtlich zugelassenen Wahlgerätes bedarf der Genehmigung durch das Fachministerium. Die Genehmigung kann für einzelne Wahlen oder allgemein ausgesprochen werden.
(7) Das Fachministerium wird ermächtigt, durch Verordnung nähere Bestimmungen zu erlassen über
1. die Voraussetzungen für die amtliche Zulassung der Bauart von Wahlgeräten sowie für die Rücknahme und den Widerruf der Zulassung,
2. das Verfahren für die amtliche Zulassung der Bauart,
3. das Verfahren für die Prüfung eines Wahlgerätes auf die der amtlich zugelassenen Bauart entsprechende Ausführung,
4. die öffentliche Erprobung eines Wahlgerätes vor seiner Verwendung,
5. das Verfahren für die amtliche Genehmigung der Verwendung sowie für die Rücknahme und den Widerruf der Genehmigung,
6. die durch die Verwendung von Wahlgeräten bedingten Besonderheiten im Zusammenhang mit der Wahl.Die Verordnung ergeht in den Fällen der Nummern 1 und 3 im Einvernehmen mit dem Ministerium für Wirtschaft, Technologie und Verkehr.
Wie haarsträubend der Einsatz von Wahlcomputern in der Praxis abläuft, demonstrieren unter anderem die Vorträge auf dem 24C3 zum Nedap-Wahlcomputer und zum Hamburger Wahlstift (download jeweils ganz legal per BitTorrent oder beim Chaosradio).
Zur Landtagswahl in Niedersachsen habe ich noch eine Karte der Wahlkreise und eine Liste der Wahlkreise mit der Anzahl der Wahlberechtigten und den umgerechneten Ergebnissen für die Landtagswahl 2003 und die Bundestagswahl 2005 gefunden. Vielleicht lässt sich das mit der Software von Thomas Rehn und Markus Schneider analysieren, die auf dem 24C3 einen Vortrag zu Wahlparadoxien gehalten haben (und ein Paper zur Ausarbeitung!). Bleibt noch zum Thema Wahlplakate auf das Bild in diesem Posting hinzuweisen, dem eigentlich nichts mehr hinzuzufügen ist. 🙂
Landtagswahl in Niedersachsen kurz erklärt
31. Dezember 2007 um 15:36 2 KommentareWeiße Werbewände, ein bunt beklebtes Wahlkampfauto und die Wahlbenachrichtigung haben mich heute darauf aufmerksam gemacht, dass am 27. Januar 2008 Landtagswahlen in Niedersachsen stattfinden. Die besten Informationen dazu gibt es nicht etwa von offizieller Seite, sondern auf www.wahlrecht.de zusammengetragen von Wilko Zicht, Martin Fehndrich und Matthias Cantow, die die sehr empfehlenswerte Seite privat betreiben. Vielen Dank den dreien! Auf der ebenfalls sehr empfehlenswerten Seite abgeordnetenwatch.de gibt es leider bislang nichts zum Niedersächsischen Landtag. Entscheiden über die mindestens 135 Sitze können etwa sechs Millionen Deutsche ab 18 Jahren, die ihren (Haupt-)Wohnsitz seit mindestens drei Monaten in Niedersachsen haben. Zur Wahl stehen jeweils ein Direktkandidat pro Wahlkreis und mit der Zweitstimme eine von 14 Parteien. Zusätzlich sind die Alternativen ungültig-zu-wählen und nicht-zu-wählen (Enthaltung) möglich, wofür sich bei der letzten Wahl (2003) jeweils 1% bzw. 33% der Wahlberechtigten bewusst oder unbewusst entschieden haben. Außerdem kann zwischen der Stimmabgabe vor Ort und Briefwahl entschieden werden. Abgesehen von einem theoretischen Volksentscheid war es das dann aber auch für die nächsten fünf Jahre.
Für einen Volksentscheid wären mindestens 600.000 Unterschriften (10% der Wahlberechtigten) für das Volksbegehren und anschließend mindestens 2 Millionen Dafür-Stimmen (25% der Wahlberechtigten) notwendig, weshalb bisher in Niedersachsen auch noch kein Volksentscheid stattgefunden hat. Daneben gibt es noch die Volksinitiative (mindestens 70.000 Unterschriften) als eine Art von „Hallo, Liebe Abgeordneten, könntet euch mal bitte kurz mit Thema X beschäftigen? Kein Interesse? Na dann halt nicht.“. Wenn die Initiative genügend Placebo-Wirkung hat und nichts kostet, könnte sie sogar umgesetzt werden, so wie 1994 als Gott in die Niedersächsische Verfassung aufgenommen wurde. Es ist also in der Praxis wahrscheinlich effektiver anderweitig Lobbyarbeit zu betreiben, Abgeordnete zu bestechen oder die Wahlen zu manipulieren.
Das Wahlverfahren zur Landtagswahl hatte eine CDU-Alleinregierung zur Wahl 1986 auf D’Hondt umgestellt, wodurch kleinere Parteien benachteiligt werden. Dafür hat die CDU 2003 die absolute Mehrheit im Landtag verfehlt, weil sie zu viele (sic!) Wahlkreise gewonnen hatte. Zu solchen Wahlparadoxien empfehle ich den Vortrag Wahlchaos – Paradoxien des deutschen Wahlsystems, den Markus Schneider auf dem 24C3 gehalten hat (Aufnahmen sollten hier zu finden sein).
Noch nicht herausgefunden habe ich, wie hoch die Anzahl der Wahlberechtigten in den einzelnen Wahlkreisen ist (in größeren Wahlkreisen zählt die Stimme des einzelnen Wählers weniger als in kleinen Wahlkreisen) und ob noch Wahlhelfer benötigt werden, sowie ob und wo mit Wahlcomputern gewählt wird. Dass und wie Wahlergebnisse mit Wahlcomputern einfach manipuliert werden können, wurde ausführlich unter anderem ebenfalls auf dem 24C3 demonstriert und soll hier nicht weiter ausgeführt werden.
Der Wikipedia-Artikel zur Landtagswahl Niedersachsen ist übrigens Müll.
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