Das Brennglas des Martin Schrettinger
23. August 2010 um 20:08 2 KommentareIm 1829 erschienenen 2. Band des „Versuch eines vollständigen Lehrbuches der Bibliothek-Wissenschaft“ habe ich unter der Zwischenüberschrift „Ist also alles systematisieren unnütz und zweckwidrig?“ ein schönes Zitat von Martin Schrettinger gefunden:
Ein systematischer Katalog wäre demnach einer optischen Maschine zu vergleichen in welcher alle Arten von Brenngläsern nach den Graden ihrer Konvexität nach den Verhältnissen ihrer Dimensionen und ihrer mehr oder minder Zirkel oder länglicht runden oder eckigten Form in Gestalt eines Stammbaumes über und neben einander systematisch geordnet und in dieser Ordnung befestigt wären oder wenn man lieber will einem Universal-Brennglase in welchem so viele Unterabtheilungen in systematischer Ordnung eingeschliffen wären dass durch die selben alle erdenklichen Grade von Brennpunkten erzielt werden sollten.
Ab dem zweiten Band plädierte Schrettinger wie bereits Albrecht Christoph Kayser in „Ueber die Manipulation bey der Einrichtung einer Bibliothek und der Verfertigung der Bücherverzeichnisse“ (1790) gegen einen systematischen Katalog, da dieser immer nur eine Sicht darstellen könne. Dass es einmal ein „Universal-Brennglase“ geben würde, durch das sich alle erdenklichen Grade von Brennpunkten erzielen lassen, konnte er sicher nicht ahnen. Mit etwas Fantasie lässt sich Martin Schrettinger nicht nur als Vorreiter des Social Tagging sondern auch von Linked Data (d.h. der beliebigen Rekombinierbarkeit von Katalogbestandteilen) ansehen.
Schrettinger und Kayser konnten sich unter den Bibliothekaren jedoch nicht durchsetzen – stattdessen dominierte Friedrich Adolf Ebert die weitere Entwicklung in Deutschland. Mehr zur frühen Geschichte des Katalogs findet sich bei Uwe Jochum, u.A. in „Die Idole der Bibliothekare“ (1995), Kapitel 3. Gut, dass sich viele von Jochums Texten trotz seiner Kritik an Open Access frei im Netz finden lassen (Weshalb – wie er argumentiert – durch die freie Verfügbarkeit von Publikationen die Forschungsfreiheit gefährdet sein soll, habe ich bislang nicht verstanden. Ich denke ab dieser Stelle findet sich eine Antwort im Eigentumsbegriff, über den sich an anderer Stelle streiten lässt).
P.S: Ein schöner Verriss von Schrettingers Handbuchs gab es in der Jenaischen Allgemeinen Literaturzeitung vom April 1821. Der Rezensent kritisiert (zu Recht), wie sich Schrettinger bezüglich des systematischen Katalogs selbst widerspricht.
Bibliothekskataloge für mobile Endgeräte
27. Januar 2010 um 18:40 27 KommentareNach der Anfang November 2009 vorgestellten Delphistudie „Zukunft und Zukunftsfähigkeit der Informations- und Kommunikationstechnologien und Medien“ werden ab 2015 in Deutschland mehr Menschen das Internet regelmäßig über mobile Endgeräte als über stationäre Computer nutzen. Was das für Bibliotheken bedeutet, wird im englischsprachigen Ausland schon länger diskutiert, beispielsweise in Always on: Libraries in a world of permanent connectivity (Lorcan Dempsey, Januar 2009) und im mobile libraries blog. In Deutschland waren mobile Dienste unter Anderem auf dem BibCamp Thema und werden regelmäßig im Blog der Zukunftswerkstatt und in anderen Teilen der Biblioblogosphäre behandelt, z.B. bei Medinfo und in netbib.
Während der Bibliothekskongress 2010 schweigt, wurde auf dem ALA Midwinter Meeting von LibraryThing ein Angebot vorgestellt, dessen Preisliste nun vorliegt: für einige Hundert bis Tausend Dollar im Jahr stellt LibraryThing jeder beliebigen Bibliothek eine mobile Version ihres OPACs zur Verfügung. Wie das ganze technisch funktionieren soll, wird nicht erklärt, es ist nur von „90% aller OPACs“ die Rede und es werden Bibliotheken als Erstanwender gesucht – interessierte deutschsprachige Bibliotheken bitte vor!
Während einige Bibliotheken ihr gesamtes Angebot in Form einer iPhone-App zur Verfügung stellen (die ZB Med Köln angeblich auch – weiß jemand mehr?), geht der Trend insgesamt eher dahin, die Webseiten der Bibliothek so zu gestalten, dass sie auch (oder speziell) für mobile Endgeräte einfach zu verwenden sind. Dazu muss eine auf mobile Endgeräte angepasste Version des Katalogs erstellt werden, die automatisch durch Erkennung des User-Agent oder unter einer eigenen, URL (meist m.domain statt www.domain) erreichbar ist. Während die mobilen Katalogseiten 2008 noch eher spartanisch aussahen, ist inzwischen – zumindest bei anderen Unternehmen – eine Optik im iPhone-Stil Standard. Die im Library Success Wiki aufgeführten mobilen Katalogoberflächen sehen zwar weniger schick aus, sind aber dafür auch für Menschen mit älteren Handys nutzbar, die sich noch kein iPhone oder vergleichbares Handy für den mobilen Internetzugang leisten können.
Auffällig ist in jedem Fall, dass deutsche Bibliotheken nicht gerade Vorreiter dabei sind, ihre Kataloge auch für mobile Endgeräte anzupassen – eine diesbezügliche Anfrage von Christan Hauschke blieb weitgehend unbeantwortet. Das liegt unter Anderem daran, dass der Katalog zu oft noch als ein monolithisches System verstanden wird – die Idee der Serviceorientierten Architektur ist nicht angekommen. Anstatt auf offene Schnittstellen und Standards zu setzen, werden mit Primo, Touchpoint und diversen andere kommerziellen „Discovery-interfaces“ neue Einbahnstraßen zu IT-Systemen eingeschlagen, die am Ende niemand anpassen und warten kann und/oder will (während ich bei Primo nichts dergleichen gefunden habe, enthält die aktuelle Entwicklungsversion von VuFind dagegen übrigens eine Mobil-Oberfläche).
Ich vermute, dass LibraryThing mit ihrem Angebot auf Schnittstellen wie SRU und Z39.50 zurückgreift und so auf ein bestehendes lokales Bibliothekssystem aufbauen kann anstatt dieses zu ersetzen. Das hieße jedoch, dass aktuelle Ausleihinformationen außen vor bleiben, solange keine Schnittstelle für Verfügbarkeitsdaten etabliert ist. Falls eine Bibliothek auf die gleiche Weise selber einen mobilen Bibliothekskatalog entwickeln möchte, habe ich als Vorlage für die weitere Progammierung eine Mobilversion für PICA-Systeme erstellt. Die Suche läuft standardmäßig über die SRU-Schnittstelle des GVK und kann bei Bedarf auf einzelne Bibliotheken eingeschränkt werden. Der Quellcode (PHP, HTML, CSS) steht unter der AGPL frei, so dass Verbesserungen auch Anderen zugute kommen.
Ãœbersicht Social-Cataloging-Plattformen
12. Oktober 2009 um 22:39 4 KommentareAnknüpfend an die inzwischen schon etwas veraltete Übersicht webbasierter Literaturverwaltung und an die provokante Frage, ob und wie Bibliotheken das Katalogisieren lieber den Nutzern überlassen sollten, habe ich zusammen mit Silvia Czerwinski folgende Übersicht von Social-Cataloging-Plattformen zusammengestellt. Ausgenommen sind an dieser Stelle Dienste zur gemeinsamen (wissenschaftlichen) Literaturverwaltung wie Mendeley, CiteULike, Connotea und BibSonomy sowie webbasierte OpenSource-Software wie WIKINDX und Aigaion.
Die größten Social-Cataloging Plattformen für Bücher sind LibraryThing und GoodReads gefolgt von ähnlichen Dienste wie aNobii (benannt nach dem Bücherwurm Anobium Punctatum) und Shelfari. Im Open Library Project wird ebenfalls gemeinsam katalogisiert, wobei automatische Massenimports den Großteil ausmachen. Daneben gibt es Buch-Communities wie weRead (vor allem verbreitet in Sozialen Netzwerken wie Facebook, Orkut, MySpace etc.), bookJetty und BookCrossing sowie aus dem deutschsprachigen Raum Quillp und Lovelybooks. Bei diesen Communities handelt es sich jedoch nicht um vollständige Katalogisierungsplattformen, da hier nur persönliche Listen, Bewertungen und Kommentare zu bereits vorhandenen Büchern angelegt werden können. Dafür bietet Quillp die Möglichkeit, eigene Manuskripte hochzuladen und von anderen Lesern bewerten zu lassen. Die Verknüpfung mit Bibliotheken ist vor allem bei LibraryThing und bei bookJetty ausgeprägt.
Die Inhalte des größten und einflussreichsten Filmkatalogs, der Internet Movie Database (IMDb), werden ebenfalls von den Benutzern gesammelt. ImDb ist im Besitz von Amazon.com, das auch Shelfari und über Abebooks eine 40%ige Beteiligung an Librarything hält. Weitere Film-Communities ohne Katalogisierungsmöglichkeit sind u.a. Flixster und Criticker.
Zur gemeinschaftlichen Katalogisierung von Audio-Publikationen (vor allem Musik) gibt es Discogs, MusicBrainz, MusicMoz und freeDB. Im Gegensatz zu reinen Musik-Communities wie Last.fm und Rate Your Music steht nicht die Bewertung, Kommentierung und Gruppierung von Musik im Mittelpunkt, sondern die Erschließung von Künstlern, Gruppen, Stücken, Veröffentlichungen und Herausgebern. Eine Zusammenarbeit mit Institutionen wie dem Deutschen Musikarchiv oder der GEMA findet – abgesehen von der gegenseitigen Verwendung als Quelle – bislang nicht statt.
Herausragend in der Tiefenerschließung sind Social-Cataloging-Plattformen für Spezialbereiche, wie zur Katalogisierung von Comics (Grand Comic-Book Database), Computerspielen (MobyGames) oder Animes und Mangas (MyAnimeList). Hier zeigt sich, dass engagierte Nutzer in Masse einfach unschlagbar sind: ebenso wie Wikipedia dank Tausender von Freiwilligen umfangreicher und detaillierter als jede herkömmliche Enzyklopädie werden konnte, können spezialisierte Social-Cataloging-Plattformen wie LibraryThing, IMdB und die Grand Comic-Book Database ihren Sammlungsgegenstand umfangreicher und tiefer erschließen als es eine überschaubare Zahl von Bibliothekare oder Dokumentare je schaffen – allerdings nur unter der Vorraussetzung, dass eine kritische Masse und eine leistungsfähige und einfach zu bedienende Katalogisierungsoftware vorhanden sind.
Diplomarbeit zu Web 2.0 und Verbundkatalogen
28. Januar 2009 um 12:43 1 KommentarBarbara Haubenwaller hat ihre Diplomarbeit Studiengang Informationstechnologien und IT-Marketing an der FH Graz zum Thema „Herausforderung Bibliothek 2.0 – Chancen und Risiken für Verbundkataloge durch die Anreicherung mit Web 2.0-Konzepten“ geschrieben und nun auf E-LIS veröffentlicht. Da der der Begriff „Web 2.0“ ein weites Feld ist, dass zu unstrukturiertem Blabla einläd, hatte ich zunächst die Befürchtung, ein oberflächliches Allerlei vorzufinden – diese Befürchtung wird durch die gut strukturierte und fundierte Arbeit mit einer einer aktuellen und sachlichen Bestandsaufnahme jedoch widerlegt. Behandelt werden folgende Fragen:
1. Welche Bibliotheksverbünde setzen Web 2.0-Konzepte bereits ein und in welcher Form?
2. Welche Web 2.0-Konzepte werden nicht eingesetzt und weshalb?
3. Welchen Mehrwert bringen Social Tagging, Blogging, Weblogs, RSS, Social Bookmarking und Ähnliches für den Leser? Werden diese überhaupt angenommen?
4. Welche Chancen und Risiken ergeben sich durch den Einsatz von Web 2.0-Konzepten für Bibliotheksverbünde und ihre Verbundkataloge?
Bibliographische Daten müssen frei sein
4. Dezember 2008 um 00:42 7 KommentareIn der englischsprachigen Biblioblogosphäre schlägt die neue OCLC-Policy zur Nutzung von Datensätzen aus WorldCat (PDF) schon seit Wochen hohe Wellen, während es in Deutschland aufgrund der geringeren Relevanz von WorldCat eher ruhig ist. Eine gute Zusammenfassung gab es vor zwei Wochen in netbib, der aktuelle Stand lässt sich dem CODE4LIB-Wiki entnehmen.
Ein bischen tun die Kollegen von OCLC mir ja schon leid: ich bezweilfle nicht einmal, dass sie mit der Policy die Möglichkeiten zur Nutzung der Daten verbessern wollten. Aber solange (wie bei den Verlagen) an totgeweihten Finanzierungsmodellen festgehalten wird, kann das nicht funktionieren. Der einzig richtige Weg ist, die bibliographischen Daten aus WorldCat freizugeben, so dass sie jeder ohne vorherige Einwilligung weiternutzen kann. Da Datenbanken nicht einfach dem Uhrheberrecht sondern je nach Land anderen Gesetzen unterliegen, ist die Sache nicht so einfach wie bei anderen Inhalten, aber es gibt bereits verschiedene Initiativen zu freien Katalogdaten, die sich auch den rechtlichen Aspekten widmen. Die einfachste Variante ist es, die Daten völlig frei unter Public Domain zu stellen, so dass jeder damit machen kann was er möchte. Falls verhindert werden soll, dass sich beispielsweise Google die Daten für Google Books einverleibt (die Google-Policy ist noch viel restriktiver als die von OCLC!), könnte eine virale Lizenz (Copyleft) verwendet werden, so wie es zum Beispiel bei Wikipedia üblich ist.
Der Streit ob Public Domain oder Freie Inhalte ist alt (siehe BSD vs. GNU/Linux) und ich kann nicht mit Sicherheit sagen, was sich für bibliographische durchsetzen wird. Sicher ist aber dass bibliographische Daten frei sein müssen. Zur Not werden halt die interessanten Daten nochmal abgetippt (oder gescannt – Handycam und OCR sollte bald ausreichen) und der Rest vergammelt in den Bibliothekskatalogen. Drei Beispiele: die Open Library steht bereit, die Erschließungsmöglichkeiten in LibraryThing werden immer ausgefeilter (die freiwilligen Katalogisierer ebenfalls) und bis in Wikipedia der Plan für eine zentrale Literaturdatenbank umgesetzt wird, ist nur eine Frage der Zeit.
Es ist an OCLC zu entscheiden, ob ihre Daten Teil dieser Bewegung sein werden oder nicht. Das trifft übrigens ebenso auf deutsche Bibliotheken und Bibliotheksverbünde zu! Entweder die Datenbanken werden geöffnet oder in Zukunft werden andere als Katalogexperten herangezogen. Wer daran zweifelt, sollte mal an Brockhaus und Wikipedia denken 😉
Aus der Bibliotheksgeschichte lernen für die Zukunft des Katalogs
5. November 2008 um 01:54 2 KommentareProf. Ursula Schulz schrieb letzte Woche im Beluga-Blog zur Geschichte der Usability-Evaluation von Online-Katalogen [via Suchkisten-Blog, wo mein Kollege Till zu recht schreibt: „Ist alles lösbar (sogar mit Open Source Software), aber eben Arbeit.“]. Schulz ist eine der wenigen Menschen in Deutschland, die tatsächlich etwas von Bibliothekskatalogen verstehen, weil sie nicht nur mit ihnen, sondern auch an ihnen und über sie gearbeitet hat. Neben der Bedeutung von Usability-Tests (die gar nicht genug betont werden kann), entnehme ich dem Beitrag, dass Bibliotheksgeschichte durchaus spannend und relevant sein kann. Dabei sollten jedoch auch Bezüge zur Gegenwart hergestellt werden. Statt der siebten Arbeit zum „Ursprung und Aufbau der Sammlung Moppelhein in der Schnurzelbacher Landesbibliothek“ lässt sich beispielsweise aufzeigen, was Martin Schrettinger zum Thema Social Cataloging beizutragen hat, wie Ranganathan beim Facettierten Browsing helfen kann oder was die Bücherverluste in der Spätantike mit dem Digitalen Vergessen gemeinsam haben.
Ich denke, dass sich derartige Ãœberlegungen vor allem in der Biblioblogosphäre, auf Mailinglisten wie NGC4Lib und in studentischen Abschlußarbeiten der Bibliotheks- und Informationswissenschaft finden. Außerdem kommen Fachzeitschriften in Frage – wobei zu beachten ist, dass die Wissenschaftssprache nun einmal Englisch ist, so dass interessante deutschsprachigen Zeitschriften wie „LIBREAS“ oder „Information – Wissenschaft & Praxis“ vom Diskurs eher abgekoppelt sind.
Vorabversion der Rechercheplattform Beluga online
8. Oktober 2008 um 11:39 Keine KommentareWie Anne Christensen heute morgen mitteilte gibt ist unter beluga.sub.uni-hamburg.de mit der Version 0.5 eine erste Vorabversion der Hamburger Rechercheplattform „beluga“. Zuletzt war das Projekt auf der GBV-Verbundkonferenz in dem Vortrag „Schaufenster zur Baustelle: beluga, ein offener Katalog aus Hamburg.“ vorgestellt worden. Was weniger beim Ausprobieren der Plattform sondern mehr bei der Lektüre des Beitrags klar wird: Mit Beluga soll nicht nur eine weitere monolithische Anwendung geschaffen werden, die einfach nur etwas moderner aussieht, sondern ein Baukasten von Werkzeugen, die in verschiedenen Kontexten verwendet werden können. [schneller war danilo mit einer Mitteilung]
…und noch ein 2.0-Katalog
16. September 2008 um 16:26 Keine KommentareAuf der ECDL wurde heute im Vortrag „Enhancing Library Services with Web 2.0 functionalities“ mit OPACIAL ein weiterer „2.0“-Katalog vorgestellt. Der Proceedings-Artikel enthält eine Ãœbersicht von so genannten 2.0-Features (Tags, Drilldown, ein Index über alle Bestände, Empfehlungsdienste etc.) und anderen 2.0-Katalogprojekten (Penntags, SOPAC, BookSpace, VuFind, AFI-OPAC 2.0, Scriblio, Aquabrowser, Primo…). Die an der Panteion-Universität Athen entwickelte OPAC-Software ist als OpenSource verfügbar und die Entwicklung wird wie bei Beluga durch Nutzerstudien begleitet – wie es sich gehört. 🙂
So sehr ich Experimentieren und Eigenentwicklungen befürworte, sehe ich doch ein wenig die Gefahr, dass zu oft das Rad neu erfunden und aneinander vorbei entwickelt wird. Vor allem ist es notwendig für die verschiedenen Zusatzdienste eine gemeinsame Infrastruktur und Standards zu finden: statt mehrere große Baustellen, die alle den ultimativen Katalog entwickeln wollen, besser viele kleine Komponenten, die sich flexibel zusammenstellen lassen. Leider ist nicht alles Serviceorientierte Architektur wo SOA draufsteht und was sich als Standard durchsetzt, lässt sich erst im Nachhinein sagen (für den Suchmaschinenindex wird beispielsweise gerade Lucene zum De-Facto-Standard). Außerdem reicht es nicht, alles in den großen „2.0-Topf“ zu schmeißen und kräftig herumzurühren – man muss sich schon genauer damit auseinandersetzen, aus welchen verschiedenen Komponenten und Diensten ein Katalog bestehen kann und soll.
Momentan ist vermutlich die sinnvollste Strategie zur Entwicklung eines „Katalog 2.0“ für die eigene Bibliothek, sich an der Entwicklung von VuFind zu beteiligen – aber man sollte natürlich auch nicht nur auf ein Pferd setzen. In jedem Fall ist es spannend zu sehen, wohin sich der Katalog in Zukunft entwickeln wird.
Was ist das Besondere an SOPAC 2.0?
7. September 2008 um 23:36 2 KommentareDass ein Katalog keine monolithische Black-Box ist, die ihre Aufgaben in einer Form erfüllt (nach Hallers „Katalogkunde“ sind die Aufgaben eines Katalogs 1. Bestandserschließung, 2. Vermittlung der Literatur, 3. Versorgung des Ausleihsystems, 4. Nachweis des Bestandes/Inventarisierung und 5. bibliothekarisches Arbeitsinstrument), zeigt John Blyberg mit der neuen Katalogoberfläche der Darien Library. Wie bei Scriblio, das auf WordPress aufbaut, wurde für den Katalog ein Content-Management-System verwendet; in diesem Fall ist es Drupal, worauf aufbauend Blyberg „SOPAC 2.0“ entwicklelt hat. Kurz auf den Punkt gebracht: OPAC+WordPress=Scriblio, OPAC+Drupal=SOPAC 2.0.
Während mich die Oberfläche ehrlich gesagt nicht so vom Hocker reißt – trotz Tagging, Bewertungen, persönlichen Listen und all diesem richtigen 2.0-Kram – bin ich Blyberg dafür dankbar, die Systemarchitektur dokumentiert zu haben:
SOPAC greift auf der einen Seite auf das „Integrated Library System“ (ILS) und auf der anderen Seite auf eine Datenbank von nutzergenerierten Inhalten zu. Beide Zugrife sind durch eine PHP-Bibliothek gekapselt („Locum“ bzw. „Insurge“), so dass im Idealfall das ILS und die Datenbank mit Listen, Kommentaren etc. ausgetauscht werden können. Da ich mir Locum und Insurge bisher nicht angesehen habe, kann ich nicht beurteilen, wie weit diese Serviceorientierte Architektur hält, was sie verspricht – wie es sich gehört wird SOPAC als Freie Software (GPLv3) veröffentlicht werden, danach können wir sehen, wie gut die in Deutschland verbreiteten Bibliothekssysteme damit angesteuert werden können – der Teufel steckt sicherlich im Detail.
In jedem Fall zeigt SOPAC 2.0 einmal mehr, dass es den einen Katalog in Zukunft nicht mehr geben wird, sondern eine Reihe von Diensten, die je nach Aufgabe miteinander kombiniert werden können. [via Infobib]
Neue Entwicklungen im GBV zur Öffnung der Kataloge
3. September 2008 um 15:44 3 KommentareIch weiß nicht genau was mit mir los ist, dass ich den Vortrag „Bibliographien für alle – Neue Entwicklungen zur Öffnung der Kataloge“ bereits eine Woche vor der GBV-Verbundkonferenz fertig habe – jedenfalls sind die Folien bei Slideshare. Wer sich also lieber Lambert anschauen möchte, wie er von „Erschließung 2013: Visionen und mögliche Entwicklungen“ spricht, muss nichts verpassen. 😉
Im Vortrag werde ich darüber sprechen, dass Bibliothekskataloge sowohl auf der Eingabeseite (Katalogisierung) als auch auf der Ausgabeseite (Präsentation und Export) offener werden müssen. An der Verbundzentrale des GBV werden dazu derzeit verschiedene Schnittstellen umgesetzt und dokumentiert. Die in Entwicklung befindlichen Schnittstellen zum Anlegen und Bearbeiten von Katalogeinträgen werden zunächst an einer eigenen Datenbank getestet, die den Namen „Perlis“ (für „Persönliche Listen“) trägt. Auf Perlis aufbauend können verschiedene Anwendungen wie Social Cataloging, Semesterapparate, vereinfachte Webkatalogisierung, automatische Katalogisierung etc. erstellt werden. Wer sich mit SOAP und PICA+ auskennt, könnte ab Herbst mit der anfangen, wer weniger selber entwickeln möchte, sondern mehr fertige Applikationen mit schönem Benutzerinterface benötigt, muss sich noch etwas länger gedulden.
P.S: Der aktuelle Stand der Entwicklung steht unter Collection Webservices (CWS) im GBV-Wiki.
Neueste Kommentare