Sita Sings the Blues – ein filmisches Meisterwerk

21. Februar 2010 um 16:15 1 Kommentar

Gestern haben wir aus dem Internet Archive den Film Sita Sings the Blues gesehen. Der Animationsfilm erzählt in feministischer Lesart das indische Nationalepos Ramayana und ist in mehrfacher Hinsicht ein bemerkenswertes und unterhaltsames Meisterwerk.

Sita Sings the Blues wurde größtenteils als Eine-Frau-Projekt von der Comiczeichnerin Nina Paley geschrieben, produziert und animiert. In vier unterschiedlich animierten Handlungsebenen wird die mehrere Tausend Jahre alte Geschichte von Rama und Sita erzählt: Rama wird von seinem Vater in die Verbannung geschickt. Seine Frau Sita begleitet ihn, wird jedoch vom Dämonenkönig Ravana nach Lanka entführt. Mit Hilfe des Affengenerals Hanuman kann Rama Sita befreien, verstößt sie jedoch danach, weil er befürchtet, dass sie „unrein“ geworden sei.

Einige Szenen der Geschichte werden mit gemalten Bildern dargestellt und parallel von indischen Schattentheater-Figuren erzählt. Die Schattentheater-Figuren lockern die historische Darstellung dadurch auf, dass sie die Details der Geschichte aus heutiger Sicht humorvoll kommentieren und diskutieren. Die wichtigsten Szenen sind in einem anderen Stil animiert und mit Stücken der amerikanischen Jazz-Sängerin Annette Hanshaw (1901-1985) unterlegt. Die vierte Handlungsebene spielt in der Gegenwart und erzählt autobiographisch die Trennung von Nina und ihrem Ex-Mann, der einen Job in Indien angenommen hat.

Hier vier Bilder der unterschiedlichen Animationsstile (Ein Trailer kann u.A. bei YouTube eingesehen werden):


Bild aus Sita Sings the Blues
Bild aus Sita Sings the Blues
Bild aus Sita Sings the Blues
Bild aus Sita Sings the Blues

Die Animationen passen stilistisch hervorragend zur Erzählung, statt wie bei vielen computeranimierten 3D-Filmen durch Wow-Effekte von der Geschichte (bzw. deren Nicht-Vorhandensein) abzulenken. Bemerkenswert ist nicht nur die Entstehungsgeschichte, die zeigt dass keine großen Filmstudios und Budgets für gute Filme notwendig sind, sondern auch die Art und Weise wie einfühlsam, unaufdringlich und unterhaltsam das Ideal der treuen und moralisch untadeligen Ehefrau kritisiert wird. Ich finde es toll, wie Nina Paley die bekannte Trennungserfahrung dazu nutzt, das im westlichen Kulturkreis wenig bekannte Ramayana-Epos und die nicht unbedingt bekanntere aber grandiose Sängerin Annette Hanshaw einem größeren Publikum nahe zu bringen.

Nina Paley zeigt mit Sita Sings the Blues, dass das kulturelle Erbe der Menschheit davon lebt, ständig weitererzählt und an die Gegenwart angepasst zu werden. Deshalb hat sie ihren Film auch unter der CC-BY-SA-Lizenz zur Verfügung gestellt. Davon ausgenommen sind leider die Aufnahmen von Annette Hanshaw aus den 1920ern, die im Film eine tragende Rolle spielen. Es ist unter anderem dem Filmkritiker Roger Ebert zu verdanken, dass überhaupt eine Einigung erzielt werden konnte. Paley musste extra einen Kredit von 50.000$ aufnehmen, um den eigenen Film freizubekommen. Damit ist die Welt nicht nur um einen wunderbaren Film, sondern auch um eine starke Copyright-Kritikerin reicher (P.S: siehe auch die viertelstündige Dokumentation The revolution will be animated).