Das Google-Copy-Paste-Syndrom und Wikipedia in den Wissenschaften
2. Mai 2007 um 23:09 1 KommentarAus Anlaß eines Berichtes über das am 20. April an der Universität Basel Stattgefundene „Werkstattgespräch“ «Wikipedia in den Wissenschaften» möchte ich nochmal auf das Ende 2006 erschienene Buch Das Google-Copy-Paste-Syndrom. Wie Netzplagiate Ausbildung und Wissen gefährden des Salzburger Medienwissenschaftlers Stefan Weber hinweisen. In der Blogosphäre wird das Buch seit seinem Erscheinen zwar ab und zu genannt aber nur wenig diskutiert. Beispielsweise ist es Buch des Monats in dem gerade erst gestarteten Weblog Buch25 (anscheinend von einer deutschen OPL – sehr schön, die deutschsprachige Biblioblogosphäre wächst) – mehr als eine Kurzdarstellung findet sich aber selten.
Stefan Weber hat seine Thesen teilweise schon online als Serie bei der Zeitschrift Telepolis veröffentlicht (Hier als Copy&Paste aus dem Hapke-Weblog):
- Teil 1: Textueller Missbrauch: Plagiarismus, Redundanz, Bläh-Rhetorik: Zur Krise der Kulturwissenschaften durch den Einzug des Copy/Paste-Paradigmas
- Teil 2: Die abschreibende Zunft: Neue Fälle von dreistem Textklau stellen die wissenschaftliche Selbstkontrolle in Frage – Report eines akademischen Whistleblowers und “Plagiatsjägersâ€
- Teil 3: Wissenschaft als Web-Sampling: Wie an Universitäten in Windeseile eine Textkultur ohne Hirn entstanden ist
Siehe auch weitere Artikel aus dem Themenumfeld von Weber in Telepolis, zuletzt Vom Wissensfortschritt mit stummem h. Die wundersame Wanderung einer Biographie im Netz (25.04.2007). Weber scheint mir seine Aufdeckungen und den Begriff „Google-Copy-Paste-Syndrom“ ein wenig zu laut wiederholt vorzutragen, was aber eher an der zu Unrecht geringen Resonanz liegt. Angesichts des schönen Wetters und auch für diejenigen, die die Online-Texte schon kennen, empfehle ich deshalb, sich einfach mal einige Stunden mit dem Buch nach draußen zu setzen und selber nachzudenken – denn das ist es meiner Meinung nach, was Plagiate begünstigt: Es wird zu wenig nachgedacht. Stattdessen wird kopiert wo früher nur nachgeplappert wurde. Ist das ein grundlegend neues Problem? Nein. Wir sind nur doch nicht so aufgeklärt wie es den Anschein hatte.
Stefan Weber stellt in seinem Buch eine Degeneration von der Lese- und Schreibkultur zu einer neuen Art mündlicher Ãœberlieferung fest. So wie vor Etablierung der Schrift Aussagen ohne Bezug auf einen ursprünglichen Autor nacherzählt wurden, werden heute Textfragmente kopiert und verändert weitergegeben. Wo heute Aufklärung herrscht, geben bald wieder Mythen und Legenden den Ton an. Ganz so pessimistisch wie diese (meine) Interpretation Webers Thesen möchte ich aber nicht gehen, vor allem was seine Beurteilung der Wikipedia in Kapitel 3.3. betrifft. Dabei ist es bedauerlich, dass die Problematik des unreflektieren Ãœbernehmens fremder Werke (Formulierungen, Strukturen, Ideen) in der Wikipedia selber nicht stärker Thema ist. Das einzige was zählt ist in den Diskussionen dort oft das Urheberrecht. Dabei handelt es sich nicht um ein juristisches Problem sonder ein ethisches und qualitatives. Ich gebe zu, dass es vieles in Wikipedia unreflektieres und unbelegtes Geschwätz ist, das in vielen Fällen kopiert, plagiiert, paraphrasiert und ohne viel eigene Leistung zustande gekommen ist. Bei Beteiligung kompetenter Autoren kommt es jedoch tatsächlich zur „Sammlung des Wissens“ und zu Artikeln, die sich hervorragend zitieren lassen. Eine wesentliche Rolle dabei spielen Belege in Wikipedia-Artikel – wie Jan Hodel eindrucksvoll demonstriert – die weiteren Beiträge und Kommentare im histnet weblog gehen über die doch etwas einseitige Darstellung von Stefan Weber zu Wikipedia hinaus.
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[…] (professor at the IICM, Graz) and various co-authors, among them Stefan Weber, whose book [de], I already wrote about [de]. Weber is known as well as Debora Weber-Wulff for detecting plagiarism in academia – a growing […]
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