Digital ist besser

15. Februar 2008 um 17:23 11 Kommentare

Eigentlich habe ich ja nichts gegen gedruckte Artikel – ich blättere immer gerne in Zeitschriften jeder Art. Neulich bin ich beispielsweise auf einen anscheinend interessanten Artikel in einer gedruckten Fachzeitschrift gestoßen. Praktischerweise ist die SUB Göttingen gleich gegenüber. Dass ich erst nach über 10 Minuten das richtige Regal gefunden habe, schreibe ich mal meiner eigenen Konfusion zu. Leider waren die drei letzten Ausgaben gerade nicht vorhanden – naja vielleicht hat sie ein anderer Nutzer. Als sie jedoch die nächste Woche noch immer nicht da waren, habe ich eine freundliche Bibliothekarin gefragt, die erstmal herumtelefonieren musste. Wie sich herausstellte sind die letzten drei Ausgaben allesamt im Umlaufverfahren irgendwo im Haus und es gibt auch keine Möglichkeit herauszufinden, wer sie gerade hat. Dass eine Ausgabe einer Fachzeitschrift ein Dreivierteljahr nach Erscheinen noch immer nicht verfügung steht, weil sie bei irgendwelchen Mitarbeitern herumliegt, ist nicht nur schlechter Service sondern zeigt auch, dass das Medium Papier so manche Nachteile hat.

Papier ist ja ganz nett und vielleicht praktisch zum Archivieren, aber für neue Publikationen einfach nicht mehr zeitgemäß. Sobald in einigen Jahren elektronisches Papier leistungsfähig genug ist (und das ist deutlich abzusehen!) gibt es keinen Grund mehr, Fachartikel auf toten Bäumen zu verteilen. Sorry, aber wir verwenden auch keine Tontafeln und Pergament mehr – genau so wird es mit Papier geschehen. Bitte in Zukunft nur noch digital und Open Access. Wer sich auf den Wandel von Papier nach Digital nicht einstellen kann oder will, kann zwar mitunter Verständis für seine Situation erwarten, aber nicht dass die Entwicklung aufzuhalten sei. Wie Tocotronic schon 1995 erkannt haben: Digital ist besser.

P.S: Belletristik, Taschenbücher, Bildbände, Zeitungen etc. sind erstmal ausgenommen.

11 Comments »

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  1. Bibliotheken, Bücher, Fachzeitschriften und die Zukunft des Papieres…

    Papier ja ganz nett, schreibt Jakob Voß in seinem Artikel, aber schiebt gleich hinterher: Digital ist besser. Nachdem er vergeblich nach einer Fachzeitschrift in der Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen suchte, die ihren Weg au…

    Trackback by einfach-orange.de — 16. Februar 2008 #

  2. Leider löst der „Trägermedienwechsel“ vom toten Baum zum Elektron ja das Problem mit der eingeschränkten Verfügbarkeit nur, wenn nicht weiterhin mit (künstlichen) Beschränkungen auch der Zugang zu digitalen Veröffentlichungen beschränkt wird. Vielleicht arbeitet man bei der Onleihe (nur als ein derzeit halt bekanntes Beispiel für die Ãœbertragung von nicht medienadäquaten Geschäftsmodellen auf baumlose Veröffentlichungen) ja schon an einem „Geschäftsgang für den elektronischen Zeitschriftenumlauf“ inkl. Dauerverlängerungsmöglichkeit für VIPs?
    „Digital“ ist nicht automatisch besser. „Digital“ bietet Möglichkeiten, besser zu sein, die muss man aber nutzen.
    Man braucht dazu auch nicht auf „elektronisches Papier“ (scheint wieder ein Thema zu werden, nachdem es ein paar Jahre recht ruhig darum war) zu warten, denn wer unter heutigen Geräten wirklich nix findet, auf dem sie/er lesen mag, kann sich ja einfach eine Papierversion mittels des Baumtöters, der an zahlreichen Computern angeschlossen ist, besorgen. Zumindest solange das Ausdrucken nicht auch per DRM verboten ist…

    Comment by till — 18. Februar 2008 #

  3. Bezeichnungen wie „tote Bäume““ und „Totholz“ mag ich nicht. Jede Bibliophilie gerät so in den Ruch des Morbiden. Und ob, wie nebenbei suggeriert, die Ökobilanz von Papier im Vergleich zu Digital schlechter ausfällt, dürfte überdies zweifelhaft sein.
    Die Vorteile digitaler Medien will ich keinesfalls abstreiten. Nur erstaunt es mich, dass sich bislang kaum jemand innerhalb der Biblioblogosphäre ernsthaft darüber Gedanken macht, welche Legitimation (lokalen) Bibliotheken im digitalen Paradies noch bleiben wird – wenn erst einmal alles online und im Open Access verfügbar ist. Kann „Bibliothek 2.0“ wirklich eine zukunftsweisende Antwort bieten? Im Web 2.0 werden Bibliotheken allenfalls eine Stimme im Chor der Vielen sein. Die Unterhaltsträger werden zu Recht nicht mehr einsehen, warum sie Social Tagging oder zunehmend selbstreferentielle Bibliotheksblogs und -wikis finanzieren sollen, während gleichzeitig die Bedeutung lokaler Bestände und Dienstleistungen abnimmt. Vom Abdriften ins Nirwana von Second Life mal ganz zu schweigen. Die Kapitulation der gedruckten Brockhaus-Enzyklopädie sollte auch von Bibliothekaren als ein Fanal verstanden werden. Die Auskunftsdienste Öffentlicher Bibliotheken etwa verzeichnen angesichts der „Konkurrenz“ des Internets schon seit Jahren einen Rückgang an Benutzerfragen.

    Comment by martino — 18. Februar 2008 #

  4. Gegenfrage: Welche Legitimation haben Postkutschen im Zeitalter der Eisenbahn? Ich habe schon den Eindruck, dass mensch sich in der Biblioblogosphäre darüber Gedanken macht, welche Aufgaben Bibliotheken in Zukunft haben können und sollen – aber wie sieht es außerhalb aus? Die Antwort kann im Einzelfall Kapitulation sein (ebenfalls von Tocotronic besungen) – ich hoffe aber eher, dass in den meisten Fällen eine aktive Auseinandersetzung mit dem Wandel und eine Besinnung auf die eigenen Stärken und Alleinstellungsmerkmale stattfindet, anstatt alten Zöpfen nachzutrauern. Vielen Dank für das bemerkenswerte Argument mit der Ökobilanz!

    Comment by jakob — 18. Februar 2008 #

  5. Wells Fargo hat mal viel Geld mit Postkutschen verdient, dann mit der Eisenbahn. Kernkompetenz war aber wohl immer der Umgang mit Geld und so gibts sie noch immer, auch wenn in ihrer Heimat das Zeitalter der Eisenbahn längst vorüber ist …
    Aber bemerkenswert, dass ausgerechnet die Branche, die sich seit ewigen Zeiten mit „Information“ beschäftigt, nun Probleme mit dem Wandel zur „Informationsgesellschaft“ (egal wie passend dieser Begriff ist, dass wir das „Industriezeitalter“ hinter uns haben, sollte offensichtlich sein) haben soll. Oder hat man sich in all der Zeit zu sehr nur um tote Bäume gekümmert?

    Comment by till — 18. Februar 2008 #

  6. Bibliotheken sind schon längst mehr als Buchverleihanstalten (abgesehen davon, dass ein immer größerer Anteil des Bestandes aus CDs, DVDs, Spielen etc. besteht).
    Dass Leute zu faul sind, jemand zu fragen, statt ein Wort in google einzutippen bedeutet weder, dass der Auskunftsdienst schlecht ist, noch, dass man mit den Suchmaschinentreffern gut bedient oder auch nur zufrieden ist. Auch im Internet braucht man Suchstrategien und die muss einem jemand vermitteln.
    Bibliotheken werden immer mehr zu Orten des angenehmen Aufenthaltes, der Begegnung und des Lernens. Damit ist ihre Bedeutung nicht mehr alleine von der Existenz und Relevanz gedruckter Medien abhängig.
    Wer Fachliteratur „nur noch digital und Open Access“ haben möchte sollte auch Ãœberlegungen anstellen, wie man das organisieren und finanzieren könnte.

    Comment by Frank — 18. Februar 2008 #

  7. Der Fortschrittsglaube des (von till angesprochenen) Industriezeitalters wurde vor rund 40 Jahren durch ein neues ökologisches Bewusstsein endgültig ins Wanken gebracht. Eine vergleichbare kritische Sensibilität für die Frage, was die rasanten Umwälzungen im Zeichen der Informationsgesellschaft derzeit mit uns anstellen (Virtualisierung, Information Overload …), vermisse ich dagegen noch weitgehend. Eben die nachlassende Bereitschaft, Zusammenhänge jenseits von Infoschnipseln zu erfassen, ist vielleicht ein Symptom der allgegenwärtigen Informatisierung. Es mag sein, dass sich unsere Profession „seit ewigen Zeiten [auch] mit Information beschäftigt“. Nur droht inzwischen aus unserer Beschäftigung mit Information ihre Fetischisierung zu werden, ein neuer Fortschrittsglaube, dem wir hinterher hecheln.

    „Dieser Welt mangelt es an allem, außer an zusätzlicher Information“ (Michel Houellebecq, Ausweitung der Kampfzone). Das mag überspitzt formuliert sein sein. Doch stimme ich Frank zu, wenn er (sofern ich ihn hoffentlich richtig interpretiere) die bibliothekarische Fixierung auf Informationsvermittlung lockern will zugunsten einer Rückbesinnung auf Kultur, Wissen, Bildung und Diskurs.

    Comment by martino — 18. Februar 2008 #

  8. Jeder Wandel bringt neue Probleme mit sich – es nützt jedoch wenig, sich gegen den Wandel zu stellen anstatt die Probleme anzugehen. Um Eisenbahnen zu kritisieren, ist es ungeschickt, aus der Position eines Postkutschenkutschers zu argumentieren. Mit Informationsvermittlung allein wird eine Bibliothek in Zukunft kaum Bestand haben. Der Forderung nach „Kultur, Wissen, Bildung und Diskurs“ möchte ich gerne zustimmen, habe aber die Befürchtung, dass das zu oft nur vorgeschoben wird, um sich nicht mit den Neuerungen beschäftigen zu müssen. Um beim Postkutschen-Beispiel zu bleiben: eine Lok benötigt Kohle, die im Gegensatz zu Pferdefutter nicht so leicht zu beschaffen ist. Diesem Problem ist jedoch nicht mit der Forderung beizukommen, dass Loks mit Pferdefutter beheizbar sein sollten oder mit dem Einwand, dass Eisenbahnen sowieso problematisch sind. Stattdessen muss man sich auf einmal über so neumodischn Dingen wie mit dem Vertieb von Kohle Gedanken machen!

    Beim Houellebecq-Zitat fällt mir übrigens Neil Postman ein, dessen letztes Buch über „die Zweite Aufklärung“ ich gerade lesen (und weiterempfehlen kann) gelesen. Er schreibt:

    Das Problem, dass im 21. Jahrhundert gelöst werden muß, ist sicher nicht die Verbreitung von Information. Dieses Problem ist seit langem gelöst. Das anstehende Problem ist, wie man Information in Wissen verwandelt und Wissen in Erkenntnis.

    Comment by jakob — 19. Februar 2008 #

  9. „Aber alles ist vergänglich. Die transozeanischen Dampfschiffe und die nord- und südamerikanischen und indischen Eisenbahnen brachten ganz eigentümliche Landstrecken in die Lage, auf den europäischen Kornmärkten zu konkurrieren.“ Karl Marx, Friedrich Engels (DAS KAPITAL BAND 3)

    Comment by Gerald — 19. Februar 2008 #

  10. […] hat in seinem Blog ein Plädoyer für digitale Fachzeitschriften gehalten. Das kann ich ganz gut nachvollziehen, weil das […]

    Pingback by Digital vs. Gedruckt : Bücher sind unsere Freunde - Bibliothekarisch.de - ehemals Chaoslinie.de — 1. August 2008 #

  11. Danke für den schönen Artikel. Aus meiner eigenen Studiumszeit und einem gefühlten Leben in der Biblliothek kann ich dir nur zustimmen. Wenn man auf gewisse Dinge angewiesen ist, hat die leichte VErfügbarkeit bei den elektronischen Medien und vor allem auch die Kopierfähigkeit eines Artikel doch schon enorme Vorteile. Muss zugeben, dass ich auch irgendwann dazu übergegangen bin mich nur noch auf elektronische Verzeichnisse von Fachzeitschriften und -büchern zu verlassen. Die Amerikanischen Bibliotheken machen das ja schön vor. Da kann man überall die neuesten Berichte über verschiedene Systeme bekommen und hat so jederzeit und vor allem wahnsinnig schnell auf die neuesten Veröffentlichungen von neuen Fachausätzen.

    Allerdings muss ich als Liebhaber von Büchern und begeisterter Leser schon sagen, dass ich meine Bücherregale nie hergeben würde. Ein Buch ist für mich einfach mehr als ein Stück Papier und eine Sammlung von Blättern. Aber das kann auch einfach nur den Grund haben, dass ich nicht gerne bekannte Dinge aufgebe und mich in neue, (elektronische) Dinge stürze….

    Comment by Oliver — 5. Februar 2009 #

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